im netz der schuppis
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von INGRID DRAGEE

Ich bin ein Schuppi. Wir sind viele. Manchen von uns sieht man es gar nicht an, andere verhüllen ihre Makel, um ein normales Leben führen zu können. Bis vor kurzem dachte ich nicht viel darüber nach. Und zwar genau bis zu dem Tag, als eine Freundin in der U-Bahn auf meine Hände zeigte und rief: „Iih! Was hast du denn da? Das ist ja eklig!“ Ich konnte nur matt antworten: „Das ist Schuppenflechte, nicht ansteckend.“ Immerhin brachte das meine Exfreundin zum Schweigen.

Doch der Stachel saß tief. Und auch der Hautarzt konnte ihn nicht ziehen, denn erhoffte Wundermittel besaß er nicht. Was also tun? Wozu gibt es eigentlich das Internet?! Kaum war der Begriff „Schuppenflechte“ bzw. das lateinische „Psoriasis“ in die Suchmaschine eingegeben, wurden auch schon diverse Homepages angeboten. Darunter auch die eines „selbst erkrankten Herstellers“, der sein zusammengemixtes Wundermittel „Willow“ anpries. Nee, nee, nix für mich!

Viel versprechender las sich da die Homepage des Psoriasis-Netzes mit einem Hinweis auf „Patientenberichte“. Genau das, wonach ich suchte! Hier konnte man zum Beispiel lesen, was ein gewisser Ineke über „FKK u. Erotik“ zu sagen hatte. Das fing ja gut an. Ineke war ein Mann, der sich nicht mehr verstecken wollte und „einfach der Welt sehen lassen, dass es nicht nur wunderschöne Menschen gibt ohne Pickel und reine Haut“. Ineke fand sich also hässlich und beherrschte die Grammatik nicht. Man kann nicht alles haben! Und was kümmert mich überhaupt Grammatik? Recht hat er doch! Genau wie Mike, dessen Beichte sich so liest, wie die Polizisten in „Aktenzeichen ... XY“ sprechen: „Im Alter von 17 Jahren hatte sich die Psoriasis Vulgaris bewogen, meinen Körper permanent zu frequentieren.“ Der arme Kerl geriet dann auch noch an einen Arzt, der „sich keinen besseren Rat wusste, als mir Kortison in den Allerwertesten zu jagen, was ich leider erst nach einigen Monaten gewahr wurde“. Mein Gott! Mike war wirklich zu bedauern, denn die ehrliche Haut gestand, „bis zum Jahre 83 wusste ich überhaupt nicht, wie mir geschah ...“.

Mittlerweile recht abgebrüht, hat Mike seine Erfahrungen niedergeschrieben. Für uns alle. Ich fühlte mich verstanden und aufgehoben, beinahe wie zu Hause. Da störte dann auch die schlichte Gerda nicht weiter, die einfach nur ihr Motto „Du bist nicht allein“ verbreiten wollte. Mit etwas jenseitigeren Worten bereicherte Rolf die Diskussionsrunde. Rolf war wieder ein anderes Kaliber, er „pflegt den täglichen Dialog mit seiner Psoriasis“. Er nimmt ihre „Stimme als ein nie abbrechendes Weinen, das leise, ganz im Verborgenen tönt“ wahr.

Mein Herz wurde weich. Warum denn auch nicht mit der Flechte sprechen? Wenn’s nur hilft! Längst hatte ich meine lädierten Hände vergessen. Und als ich kichernd und gut gelaunt auf Axel stieß, war es um mich geschehen. Axel nannte sich einfach „Schuppi“ und baute jederzeit, aber immer und überhaupt auf eine gute Zukunft. Seitdem bin ich gewappnet gegen alle hämischen Angriffe jeglicher Freundinnen, denn ich bin halt auch ein Schuppi. Na und?!