Vom israelischen Geheimdienstchef zum Botschafter

Die Ernennung von Carmi Gillon, der Folterungen anordnete, zum Gesandten in Dänemark stößt auf Kritik. Menschenrechtler fordern ein Verfahren

STOCKHOLM taz ■ Die Ernennung eines ehemaligen Geheimdienstchefs zum neuen Botschafter Israels in Dänemark hat dort bei verschiedenen PolitikerInnen, JuristInnen und Menschenrechtsorganisationen heftige Empörung ausgelöst. Sollte Carmi Gillon, von 1995 bis 1996 Chef des Inlandsgeheimdienstes Schabak, im August tatsächlich wie geplant sein Amt in Kopenhagen antreten, droht ihm eine Anklage und möglicherweise ein Prozess wegen – von ihm selbst eingeräumter – Folterungen.

„Dänemark sollte nicht nur, sondern muss ein Verfahren gegen ihn einleiten“, sagt Morten Kjaerum, Völkerrechtler und Direktor des „Dänischen Zentrums für Menschenrechte“. Nach eigenen Interviewäußerungen hatte Gillon in seiner Schabak-Zeit höchstpersönlich die Erlaubnis zu Folterungen – oder wie er es ausdrückt, „moderatem physischem Druck“ – in rund einhundert Fällen gegeben. Laut einem Interview mit der dänischen Tageszeitung Jyllands-Posten bestätigte Gillon nicht nur, dass solche Folterungen zumindest bis 1999 bei „islamischen Fundamentalisten“ üblich gewesen seien, er plädiert auch für deren Legalität. Man habe ein Recht, zur Enttarnung von Terroristen, die Selbstmordaktionen durchführten, auch solchen „moderaten physischen Druck“ auf Personen auszuüben, die dazu vielleicht Aussagen machen könnten.

Für Professor Bent Sörensen, der bis zum vergangenen Jahr stellvertretender Vorsitzender des Antifolterkomitees der UNO (CAT) war, sind solche Äußerungen und die dokumentierte Vergangenheit Gillons nicht nur ein politischer Skandal, sondern auch juristisch ausreichend, gegen ihn ein Strafverfahren zu eröffnen, sobald er dänischen Boden betreten sollte. „Er hat die schlimmsten Verbrechen begangen, die man begehen kann. Deshalb soll man ihn anklagen – das ist auch vorbeugend: Folterer wissen dann schon von vornherein, dass sie bei ihren Reiseplanungen vorsichtig sein müssen.“

Sörensen hat keinen Zweifel daran, dass man Gillon in seiner Funktion als Geheimdienstchef die Verantwortung für Folterungen wird nachweisen können, wie sie Gegenstand der Antifolterkonvention der UN sind. Seine diplomatische Immunität werde ihm nichts nutzen: „Die Konvention gilt für alle, auch für Diplomaten.“

Für den Fall, dass dänische Behörden nicht von sich aus aktiv werden sollten, sobald Gillon seinen Botschafterposten antritt, haben bereits mehrere PolitikerInnen entsprechende Strafanzeigen angekündigt. So Sören Söndergaard von der linken Einheitsliste. Die dänische Sektion von amnesty international hat dieses Vorhaben begrüßt. Die Antifolterkonvention der UN, die Israel 1991 ratifiziert hat, kennt den Begriff des „moderaten physischen Drucks“ nicht. Deshalb kam Israel mehrfach auf Kollisionskurs mit der CAT. Zuletzt 1997 und erstmals 1994, als der Gebrauch solcher Foltermaßnahmen in einem CAT-Bericht als „unakzeptabel“ bezeichnet wurde. „Das ist das bislang einzige Mal in der Geschichte des Komitees, dass ein solcher Ausdruck gebraucht wurde. Meiner Meinung nach hört man entweder mit solchen Methoden auf, oder man muss die Konvention verlassen“, sagt Sörensen.

Seit 1999 soll offiziell bei Verhören nicht mehr gefoltert worden sein, nachdem auch das oberste israelische Gericht den dort bis dahin für zulässig erachteten „moderaten physischen Druck“ für ungesetzlich erklärt hatte. In der Praxis sah das laut Sörensen beispielsweise so aus: „Man packt einen Mann an der Schulter und schüttelt ihn heftig. Nach ein paar Minuten können die Muskeln nicht mehr folgen. Der Kopf rollt unkontrolliert vor und zurück. Erst können kleinere innere Blutungen entstehen. Und schließlich kann das zum Tod führen.“

Es sei ungeheuerlich, dass Repräsentanten eines Landes, das die Antifolterkonvention unterschrieben hat, solche Foltermaßnahmen auch noch öffentlich verteidigten, obwohl sie absolut verboten seien, meint Sörensen.

Weder die Botschaft Israels in Kopenhagen noch die israelische Regierung wollen den Fall Carmi Gillon kommentieren. Yaffa Behneri, Sprecher des israelischen Außenministeriums, sagte gegenüber der dänischen Tageszeitung Politiken, weder wolle man noch könne man sich in etwas einmischen, was eine „interne dänische Debatte“ darstelle.

REINHARD WOLFF