Die Polizei ackert im Ernterausch

Auf dem Stadtgut Schönau-Linde in Buch blüht jeden Sommer prächtig der Hanf. Gestern schritt die Polizei zur Ernte des Wildwuchses

Elmar Müller erwischte die Nachricht gestern kurz nach der Mittagspause. Die Polizei sei mit Mannschaftswagen auf seinem Acker am nördlichen Stadtrand angerückt. Mit einem Mähgerät im Gepäck. Dass es sich bei dem guten Dutzend Grüngekleideter nicht um konventionelle Erntehelfer handelte, dürfte dem Gutsleiter des Stadtguts Schönau-Linde klar gewesen sein. Denn auf dem etwa 3.000 Quadratmeter großen Feld des in Buch liegenden Guts wuchert meterhoch Hanf. „Cannabis sativa“ in getrocknetem Zustand bekannt als „Gras“.

Hanf gilt als Betäubungsmittel, sein Anbau ohne behördliche Genehmigung als Straftat. Der Fund in Buch war gestern ein Fall für den Mähbalken, heute ist er einer fürs Landeskriminalamt. Die Behörde soll nun begutachten, ob die frische Ernte der Beamten überhaupt Rauschqualitäten hat. Strafanzeige gegen unbekannt werde aber auf jeden Fall gestellt, so ein Polizist.

Feldherr Müller fühlt sich davon nicht betroffen. Denn ihm sind die ungebetenen Ackerfrüchte nicht neu. Seit 1993, „seit ich hier zuständig bin“, entdecke er jeden Sommer auf der ehemaligen Rieselfläche zwischen allerlei Unkraut die umstrittene Kulturpflanze. Alljährlich lässt der Landwirt abmähen und pflügen, alljährlich reckt der Hanf seine Stängel wieder aus dem Boden.

In diesem Jahr wurde die subversive Vegetation von Christian Kulicke entdeckt. Ende Mai; die Wuchshöhe habe damals etwa 30 Zentimeter betragen, sagt der junge Zivilpolizist. Von der Fläche sei „erst mal keine Gefahr ausgegangen“. Dennoch sollte der Grundbesitzer, das Stadtgut, den Acker mähen. Angeblich ist dies auch passiert. Abgemäht wurden gestern jedoch mannshohe Hanfpflanzen, zum Teil in voller Blüte.

Hinweise von Anwohnern hatten Kulicke Ende vergangener Woche erneut aufmerksam werden lassen. Nächtens sollten „wechselnde Belegschaften junger Leute“ sich im Feld an den Rauschmittelpflanzen bedient haben, sagt er.

Gestern wollte die Polizei der Hanfplage abhelfen. Doch auch das lief nicht ohne Hindernisse: Das erste Mähgerät, kaum größer als ein Rasenmäher, wurde schon nach wenigen Feldmetern beiseite geschafft. Zu klein, zu schwach, zu langsam – der Polizeibeamte hätte wohl heute noch geackert. Stadtgutsfeldherr Müller ließ seinen Traktoristen den „Mulcher“ aus der Scheunenecke holen. Das Spezialgerät schredderte alles überirdische zu kleinen Schnitzeln, für Rauschgiftkonsumenten uninteressant, weil zu viel anders Kraut mit dabei ist. TILMAN STEFFEN