Eine Art Weltverbesserung?

Der als Stasi-IM geoutete TV-Moderator Ingo Dubinski ist heute Abend mit seinem Spitzelopfer Christhard Rüdiger bei Bio zu Gast. SWR-Intendant Peter Voß deutet Dubinskis Rehabilitation an

Eine allzu eilige Renaissance Dubinskisals TV-Schmeichler ist ohnehin nicht möglich

von JAN FEDDERSEN

Die Sendung steht nun unter der Überschrift „Eine Frage des Mutes“. Ursprünglich aber stand für den heutigen Abend das Thema „Weltverbesserer“ auf dem Stundenplan. Alfred Biolek wollte mit dem Schauspieler Hannes Jaenicke sowie den „Globalisierungsgegnern“ Lena Zühlke und Niels Martensen über ihre Mühen sprechen, aus dem schlechten Jetzt ein besseres Morgen zu gestalten. Doch dann sollten noch der TV-Moderator Ingo Dubinski und sein früherer Kamerad bei der Nationalen Volksarmee, der heute in Lößnitz/Sachsen als Pfarrer arbeitetende Christhard Rüdiger, in die Sendung geschoben werden.

Für dieses Gästetableau passte der Titel der Sendung für diesen „Boulevard Bio“ (23.00 Uhr, ARD) nicht mehr: Das Publikum hätte es möglicherweise als taktlos missverstanden. Denn Dubinski war von der Mitteldeutschen Zeitung als einstiger Informant der DDR-Staatssicherheit und Christhard Rüdiger als dessen Spitzelopfer enthüllt worden. Clou dieses Outings aber war: Dubinski verlor zwar auf der Stelle sämtliche Moderationsjobs (ein Reisemagazin beim MDR, die „Wunschbox“ beim SWR und die Samstagabendshow „Das Lied zum Glück“), zeterte jedoch nicht über die Ungerechtigkeit. Vielmehr legte er umgehend alle Karten auf den Tisch, kopierte für alle interessierten Journalisten seine Stasiakte und suchte reuig das zunächst persönliche, das heißt medial nicht protokollierte Gespräch mit seinem einstigen Opfer.

Mit Christhard traf er sich vorige Woche erst in Lößnitz, abermals am Freitag in Chemnitz zum Gespräch. Erst nach beiden Aussprachen erklärte sich der Pfarrer bereit, sich mit Dubinski von Biolek ausfragen zu lassen. Verziehen hat Rüdiger seinem früheren Stubenkameraden nicht, so erklärte er in einem Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, aber er war bereit, sich auf Dubinski Lebensgeschichte einzulassen: „Nach dem Gespräch wollte ich ihm vertrauen.“ Und Dubinski zur taz: „Ich kann nichts erwarten. Aber ich bin froh, dass er mir zugehört hat.“ Anders als viele andere prominente Stasi-Informanten kann Dubinski, so belegen es seine Stasi-Unterlagen, tatsächlich für sich in Anspruch nehmen, 1983, als 19-Jähriger, zwar den geheimdienstlichen Verlockungen des organisierten Opportunismus namens DDR erlegen zu sein, um seine Ausbildung zum Diplomaten nicht zu gefährden: IM Diplomat heißt sein Deckname denn auch treffend.

Aber schon nach acht Monaten hat Dubinski jede weitere Zuarbeit für die Stasi verweigert – allerdings nicht Rüdigers wegen, sondern um die Kontakte zu seinem in Westberlin lebenden Onkel nicht zu gefährden.

Diskreditierendes hat Dubinski ohnehin nicht über Rüdiger berichtet. Rüdiger verwies am Wochenende auch auf ein Treffen von Christen in Rostock, über das Dubinski hätte ihm zu Schaden reportieren können: was er aber nicht getan hat, das betonte Christhard Rüdiger in den vergangenen Tagen immer wieder.

So könnten beide heute Abend ein Stück „Wahrheitskommission“ spielen, eine Suche nach dem Blickwinkel abseits der Straftatbestände. Der eine als bekennender Nichtwiderständler, der „immer so durchzurutschen versucht hat“ (so Dubinski zur taz), der andere als Mann, der die DDR innerlich nie respektiert hat und die Bundesrepublik vor allem insofern begrüßte, als sie ihm nicht mehr ständig Knüppel zwischen die Beine wegen seines Christseins warf: Rüdiger guckt niemals fern und konnte deshalb auch Dubinski Aufstieg zum Seniorendarling der Nation nicht mitverfolgen.

Eventuell bietet dieser Auftritt – der wie alles beim Fernsehen selbstverständlich von den Rahmenbedingungen her inszeniert ist – auch in der alten Bundesrepublik aufgewachsenen Menschen die Chance, das DDR-System der Organisation gesellschaftlichen Gehorsams besser zu verstehen: Denn sprechen werden nicht zwei Menschen, denen nach Aktenlage nichts bleibt, als sich aus dem Wege zu gehen beziehungsweise sich zu hassen. Sondern zwei, die je auf ihre Weise an der DDR scheiterten.

Deshalb ist der Fall des IM Ingo Dubinski auch nicht vergleichbar mit Fällen, bei denen die Informanten aus schierem Glauben an den Sozialismus spitzelten. Biolek wird dies auf die ihm typische Weise der nötigenden Versöhnung herausfinden – unabhängig vom Motto der Sendung. Denn eine „Frage des Mutes“ war und ist es für Dubinski nicht, sich den Fragen der Öffentlichkeit zu stellen: Ihm bleibt schon aus Gründen der beruflichen Zukunft keine andere Wahl.

SWR-Intendant Peter Voß machte sich über eben diese auch so seine Gedanken. Am Wochenende erklärte er, dass er die Stasiakte Dubinski studiert habe und seinen Kollegen von der ARD empfehlen werde, Dubinski wieder auf den Bildschirm zu lassen.

Offen blieb bei diesem Statement nur, ob Voß diesen Ratschlag aus menschlichen Erwägungen zu treffen bereit ist – oder ob er an die zwei Dutzend bereits aufgezeichneten „Musikbox“-Ausgaben denkt, die nicht gesendet werden könnten, wenn Dubinski vom Bildschirm verbannt bleiben müsste. Das käme einem Verlust von gut einer Million Mark gleich.

Eine allzu eilige Renaissance Dubinskis als TV-Schmeichler ist ohnehin nicht so schnell möglich. Seit der MDR seine Stasifälle durch einen Personalausschuss prüfen lässt – weil dieser Sender seine Stasilasten allzu offenherzig nicht geklärt wissen wollte –, dauern die Verfahren bürokratisch lang. Dubinski darf sich bis dahin überlegen, ob er weiterhin nur den guten Jungen geben will.