: Grüner Faden der politischen Identität
■ Debatte über neue GAL: Antje Radcke widerspricht Krista Sager und Kurt Edler
Für Antje Radcke sind die Gründe für die grüne Niederlage bei der Bürgerschaftswahl klar: „Der öffentlich wahrnehmbare Unterschied zur SPD war nicht groß genug“, schreibt die Parteichefin der GAL in einer zehnseitigen internen „Auswertung“, die der taz vorliegt. Wegen der konsensorientierten Koalitionspolitik im rot-grünen Senat sei die Partei nach außen als „fest mit der SPD verheiratet“ erschienen – eine kaum verhüllte Umschreibung für mangelndes Profil. Als Konsequenz daraus müsse die GAL sich wieder, so Radcke, „eine politische Identität verschaffen“.
Grundlage dafür sollten die Themen sein, „bei denen uns die größten Kompetenzen zugesprochen werden“. Für Radcke sind dies vor allem Ökologie und Nachhaltigkeit, Menschen-, Bürger- und Minderheitenrechte sowie soziale Gerechtigkeit und Selbstbestimmung. Diese Schwerpunkte müssten „den grünen Faden“ bilden in den künftigen Jahren der Opposition in der Bürgerschaft gegen den Schwarz-Schill-Senat.
Damit setzt die Parteilinke Radcke deutlich andere Zeichen als ihr Co-Parteichef Kurt Edler und die Zweite Bürgermeisterin Krista Sager. Edler plädiert für eine neue grüne Innenpolitik als Reaktion auf den Rechtspopulisten Schill. Die GAL müsse sich verstärkt der Frage stellen, „welche Misstände stören die Leute, und wie stellen wir diese ab“ und nicht nur darüber diskutieren, „welche Maßnahmen schränken Bürgerrechte ein und ermächtigen die Polizei“. Auch Sager fordert, „das Thema Sicherheit künftig zu besetzen“. Dies sei unter anderem deshalb nötig, weil „unsere urgrünen Themen heute keine Bewegungsthemen mehr sind“.
Radcke und andere Parteilinke wie die Fraktionschefin Antje Möller wollen hingegen lieber wieder dorthin zurück, wo sie herkamen: an die Basis der grünennahen Verbände und Initiativen. Dort habe die GAL durch Kompromisse im Senat viel Vertrauen verloren.
Deshalb dürfe sie sich, warnt die Parteichefin in ihrer Wahlanalyse, auch künftig in der Opposition „nicht zum parlamentarischen Arm der Bewegung aufschwingen – das nimmt uns niemand mehr ab“. Es müsse aber eine „Form der Zusammenarbeit“ gefunden werden zwischen einer politischen Partei und Interessenverbänden wie der Lehrergewerkschaft GEW oder dem Umweltschutzverband BUND.
Die neue Strategie der GAL müsse, findet Radcke, „in der Konzentration auf das unverwechselbar Grüne“ bestehen, wenn sie in vier Jahren wieder in Hamburg mitregieren wolle. Denn der Versuch, „überall ein paar grüne Tupfer zu hinterlassen“, sei gescheitert.
Die Debatte über die GAL von morgen, so scheint es, ist eröffnet.
Sven-Michael Veit
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