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Umzug im RentenalterAuf die Parkbank nach Altötting

Im Alter dahin, wo es billiger ist? Rent­ne­r:in­nen in Deutschland riskieren eher Altersarmut, anstatt umzuziehen. Anders in den USA.

In den USA sind Ren­te­r:in­nen flexibler – auch was einen Umzug angeht. Sun City, Florida Foto: Dennis MacDonald/imago

Im Alter umziehen in eine mietgünstige Region, am besten im Osten oder irgendwo in eine abgelegene Kleinstadt? Zu diesem Schluss kann kommen, wer sich diverse Studien zu Wohnkosten, Kaufkraft und Lebensqualität im Alter vornimmt. Gera, Chemnitz oder auch der Landkreis Hof sind Gegenden, wo das Verhältnis zu Wohnkosten und Renten komfortabel ist, ergab unlängst eine Erhebung der Prognos AG. Die Kleinstädte Bad Windsheim oder Altötting sind „Seniorenparadiese“, ermittelte wiederum das Wirtschaftsforschungsunternehmen Contor.

Also auf in die Kleinstädte, in den Osten oder irgendwo aufs Land? So einfach ist es nicht, denn Rent­ne­r:in­nen sind sensibel und bodenständig. „Insgesamt nimmt die Umzugsbereitschaft im Laufe des Lebens immer mehr ab“, erklärt der Heidelberger Altersforscher Hans-Werner Wahl im Gespräch mit der taz.

„Ältere ziehen etwa fünfmal seltener um als Menschen unter 30 Jahre. Aber es tut sich auch etwas und immer mehr Ältere, vor allem Babyboomer zwischen 65 und 75 Jahren, fassen nochmals konkret einen Umzug ins Auge. Zu den wichtigsten Gründen gehören die sogenannten Netzwerkwanderungen, also näher zu Kindern und Enkelkindern.“

Besonders Witwen sind betroffen

Die Enkel, das Klima, günstige Hauspreise und Kindheitserinnerungen an die alte Heimat sind Gründe, warum Leute mit Beginn des Ruhestands umziehen oder sich gar einen zweiten Wohnsitz im Ausland zulegen.

Wer sich im Bekanntenkreis umschaut, stellt verschiedene Muster fest: D. zog mit Rentenbeginn von Berlin nach Oldenburg, weil da ihre Tochter und zwei Enkel leben. F. verkaufte die Wohnung in Berlin und erwarb mit Ehemann ein Haus in der günstigen Pfalz, die ihre alte Heimat ist. K. zog mit Ehefrau in deren Heimat Thailand in eine Kleinstadt. Er behält aber die günstige Mietwohnung in Berlin und verbringt dort die Sommermonate.

Das klingt alles gut, aber wer diese Wahlfreiheit nicht hat, kann in große Probleme geraten. Jeder Fünfte der über 65-Jährigen gibt mehr als 40 Prozent des verfügbaren Einkommens für Wohnen aus, ermittelte das Deutsche Zentrum für Altersfragen. Stirbt der Partner und fällt damit ein Einkommen weg, steigt das Risiko der Verarmung – oft für die zurückbleibende Witwe – dramatisch an, fanden die For­sche­r:in­nen heraus.

Im Bekanntenkreis sorgt sich zum Beispiel C., 67, um die Zukunft im hohen Alter. Sie wohnt mit ihrem Freund in einer Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung und bezieht nur eine kleine Rente. Was passiert, wenn der Partner vor ihr stirbt und die Miete zu teuer wird für ihr Alterseinkommen?

Umzug kann verunsichern

„Wir werden sicher auch eine Gruppe von vor allem älteren Frauen sehen, die durch Armutsgefährdung in eine günstigere Wohnung abzuwandern versuchen, auch um den Preis, soziale Netzwerke und hilfreiche Nachbarschaftsstrukturen hinter sich zu lassen. Keine gute Entwicklung“, sagt Wahl.

Eine naheliegende Lösung läge darin, dass Verwitwete oder überhaupt alte Menschen eine oft zu große Mietwohnung aufgeben und in eine kleinere Bleibe umziehen, also tauschen. Wohnungsbaugesellschaften können von diesen Tauschprogrammen ein Liedchen singen: Es klappt eher selten. David Eberhardt, Sprecher des BBU, des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen, hat festgestellt: „Gerade ältere Leute wollen nicht umziehen, sich von Erinnerungsstücken und der vertrauten Umgebung trennen.“

Die BBU ist für die sechs landeseigenen Wohnungsunternehmen in Berlin zuständig, ein Bestand von 360.000 Wohnungen. Wer in einer solchen landeseigenen Wohnung lebt, kann seine Wohnung gegen eine größere oder kleinere Wohnung tauschen, auch ohne dass die Quadratmeterpreise erhöht werden. Wer sich also verkleinert, würde dann in der Regel weniger Miete zahlen. Seit dem Jahre 2018 kam es aber nur in rund 600 Fällen zum Wohnungstausch mit dann 1.200 neuen Mietverträgen.

Das Problem ist das Missverhältnis: Auf fünf Mietparteien, die eine zu kleine gegen eine große Wohnung tauschen wollen, kommt nur ein entsprechendes Angebot einer großen Wohnung von dann meist älteren Mieter:innen. Als die Wohnungsgesellschaft vor Jahren im Märkischen Viertel ältere Mie­te­r:in­nen gezielt anschrieb und vorsichtig fragte, ob sie nicht vielleicht in eine kleinere Wohnung umziehen wollten, „war die Verunsicherung groß“, sagt Eberhardt. Die alten Leute befürchteten, aus ihren Wohnungen vertrieben zu werden.

Psychologisch mit dem Wohnort verwachsen

„Mit Sicherheit ist ein Umzug im höheren Lebensalter kein erwünschtes Szenario für geschätzt 90 Prozent der Älteren“, sagt Wahl. „Die Wohn- und Nachbarschaftsbindung ist hoch, nicht selten hat man 20 und mehr Jahre an diesem Ort verbracht. Man ist gewissermaßen psychologisch mit dem Wohnort verwachsen.“ Auch deswegen ist ein erzwungener Umzug, etwa durch eine Eigenbedarfskündigung, für Ältere eine Katastrophe. Ein notwendiger Umzug in ein Pflegeheim im hohen Alter gilt ohnehin als Schreckensszenario.

Sich einfach eine Region auszusuchen, in die man mit Beginn des Rentenalters zieht, weil dort Wohnen und Lebenshaltungskosten günstig sind, entspricht nicht der Mentalität der meisten Ru­he­ständ­le­r:in­nen in Deutschland. In den USA ist man flexibler, auch notgedrungen. In der Facebook-Gruppe „Retiring on a shoestring“ tauschen sich Ruheständler:innen, deren Geld knapp ist, darüber aus, wo und wie man in den späteren Jahren am besten leben könnte.

„Moved from Michigan to Southeast Missouri. Cost of living is way better than in Michigan“, schreibt Cyndee. „Texas is marvelous. The roads, the weather, the people“, meint Gail. „You want to see high taxes, go to California, New Jersey, New York“, warnt Alexandra. „Alaska is starting to look good“, behauptet Jody.

Ein riesiges Flächenland mit großen Klimaunterschieden wie die USA bietet mehr Ausweichmöglichkeiten. In Deutschland werden die Konflikte lokaler ausgetragen. „Der Ruhestand kann die existierende Ungleichheit bei den Wohnkosten zwischen Mietern und Eigentümern verstärken“, resümiert die Studie des DZA, publiziert über die Universität Cambridge.

Denn während das Eigenheim im Alter oft abbezahlt ist, können steigende Wohn- und Heizkosten bei gleichbleibenden Renten die Altersarmut von Mie­te­r:in­nen überhaupt erst hervorrufen. Und das macht Angst.

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9 Kommentare

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  • Der Wohnungstausch ist doch eigentlich nur attraktiv, wenn die Menschen (bei gleicher Quadratmetermiete) in dem Viertel bleiben können, in dem sie verwurzelt sind. Der Artikel klingt so, als wäre das beim Berliner Modell nicht der Fall.



    Und zu den USA: Die Amerikaner sind viel aufgeschlossener als die Europäer und vor allem im Vergleich zu den Deutschen. In den USA ist es daher einfacher Anschluss zu finden in einer neuen Umgebung , während hierzulande die Vereinsamung droht.

  • Einen alten Baum verpflanzt man nicht,



    weil er meist nicht mehr anwächst.

    Und so ist das mit den meisten alten Menschen auch. Sie wollen sich nicht von ihrer gewohnten Umgebung trennen, was ich gut verstehen kann.



    Und mal ehrlich, ist der Gedanke "Alte Menschen sollen deshalb umziehen, damit andere ihre größere Wohnung bekommen" irgendwie nicht auch pervers?

  • "Es klappt eher selten. David Eberhardt, Sprecher des BBU, des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen"



    oder sind einfach kleine Wohnungen jetzt fast genau so teuer wie große Wohnungen? Innerhalb einer Genossenschaft vtl nicht, aber über den markt hinweg ist da so.

    • @Narrenfell:

      Eben! Wenn ich meine Wohnung aufgäbe, bekäme ich nicht etwa eine kleinere für weniger Geld, sondern eine sehr viel kleinere für mindestens das gleiche, wenn nicht gar mehr Geld.

  • In Deutschland bzw. Europa haben die Menschen eine ganz andere Art von Heimatverbundenheit als in den USA.

    Und zwar in beide Richtungen:

    Man kann in Deutschland von Norddeutschland nach Bayern ziehen, aber auch nach Jahrzehnten wird man niemals Bayer sein und wirklich dazugehören. Und umgekehrt gilt das natürlich auch.

    Warum sollte man ausgerechnet als alter Mensch, wenn sowieso immer weniger Freunde am Leben sind, in die Fremde ziehen?

    Um günstig zu leben, aber sich einsam und fremd zu fühlen?

  • Deutschland wird insgesamt in vielerlei Hinsicht unattraktiver.

    Gut ausgebildete junge Leute gehen seit Jahren woanders hin. Es gibt wahrhaftig eine Reihe attraktiverer Länder wo man zudem weitaus weniger Steuern und Abgaben zahlt. Die Industrie wandert ebenfalls ab.

    Bei hochqualifizierten Fachkräften ist Deutschland in den vergangenen drei Jahren in der Beliebtheit vom 12. Platz 2019 auf den 15. Platz zurückgefallen. Die OECD-Staaten Neuseeland, Schweden, Schweiz, Australien und Norwegen sind am attraktivsten.

    Was bleibt sind ältere Menschen. Arme Menschen. Vor allem arme Frauen.

    42,3 Prozent der Rentner in Deutschland müssen mit einem Netto-Einkommen von weniger als 1250 Euro im Monat auskommen. Von den knapp 7,5 Millionen Betroffenen sind mehr als 5,2 Millionen Frauen. Das sind mehr als 53 Prozent aller Rentnerinnen in Deutschland.

    Auf weniger als 1000 Euro persönliches Netto-Einkommen kommt demnach gut jede und jeder vierte der Rentnerinnen und Rentner (26,4 Prozent). Auch hier liegt der Frauenanteil deutlich höher. Von den Rentnerinnen kommen 36,2 Prozent auf weniger als 1000 Euro, von den Rentnern 13,9 Prozent.

    Mit dem bisschen Kohle kommt man nicht weit.

    Die Mieten werden noch weiter zunehmen. Deutschland ist in den letzten zehn Jahren von 80 auf 85 Millionen Menschen gewachsen. Das erzeugt natürlich einen wahnsinnigen Mietdruck. Auch auf dem Land. Mit Altötting wird es bald vorbei sein mit den günstigen Mieten.

    Schon 2018 brachte die ZEIT einen Artikel dazu. Mittlerweile ist es noch weitaus schlimmer.



    ZEIT: "Sie kochen Kohlrabiblätter aus und heizen nur ein Zimmer"



    www.zeit.de/arbeit...-ruhestand-jobbing

  • zwei wichtige Aspekte fehlen in dieser Betrachtung.

    1.



    In der gewachsenen Umgebung ist Mensch auch sozial verankert.



    Bei einem Umzug, auch inerhalb des Ortes, gehen diese wichtigen sozialen Beziehungen verloren.



    Die "alten" Nachbarn wissen in der Regel um die Gewohnheiten ihrer Umgebungsmenschen bescheid, bemerken am ehesten, wenn Not entsteht und springen oft mit Hilfsdiensten ein.



    Ebenso übernehmen die älteren Nachbarn oft andersartig Verantwortung für die Jüngeren.



    Postannehmen, Blumengiessen, auf Kinder und Tiere aufpassen z.B.

    Und dann 2. ganz wichtig:

    Es wird immer behauptet der Platzbedarf bei Älteren sinke.

    Das Gegenteil st der Fall.



    Wer nicht mehr an die oberen Schränke kommt oder sich nicht bücken kann braucht viel mehr Platz auf der mittleren Ebene.



    Mit dem Rollator oder Rollstuhl braucht man mehr Platz als in der Zeit, in der man sich noch einfach im Stehen umdrehen konnte.



    Dies wird von all den "wohlmeindenen" Ratgebern, die eigentlich nur scharf auf die grosse Wohnung sind, gerne verschwiegen oder "übersehen".

    Dazu sind die neuen kleinen Wohnungen oft ungleich teurer als die alte Wohnung mit dem alten Mietvertrag.



    Man zahlt also (auch absolut) mehr Geld für weniger Fläche.



    So eine kleine Wohnung lässt sich auch nicht so ohne weiteres behindertengerecht umbauen.

    Also vorsicht beim Wohnungswechsel im Alter.



    Das will sehr gründlich überlegt sein.

    • @Friderike Graebert:

      Man könnte aber auch gleich mit Renteneintritt oder mit dem Ausziehen der Kinder die Initiative ergreifen, dann hat man noch 20Jahre eine neue Struktur aufzubauen.

      • @Narrenfell:

        Nein, einfach Nein. Bei jeder neuen Lebensphase sofort umziehen ist sozial nicht verträglich. Das ist nicht zumutbar.



        Das hat wirklich was von Neid diese Diskussion.