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Leben als RentnerinLangeweile befreit

Mit steigendem Alter ist Sex in Filmen nicht mehr so attraktiv. Interessanter scheint, doch noch zu lernen, wie man Spannbettlaken faltet.

Langweile als positive Lebensphilosophie? Foto: Westend61/imago

A n jenem Abend merkte ich, dass sich bei mir im Kopf was verändert hatte. Im Fernsehen lief in Wiederaufführung die tragische Romanze „Verhängnis“ mit ­Jeremy Irons und Juliette Binoche. Tiefsinnige Blicke, verbotener Sex auf der Couch, auf dem Boden, im Hausflur. Leidenschaft! In meinen 30ern, als ich den Film im Kino gesehen hatte, war ich tief bewegt nach Hause gegangen, trug die folgenden Tage nur noch schwarzen Rollkragenpullover und Mini zu grellroten Lippen und schaute im Edelrestaurant älteren Männern mit grauen Schläfen hinterher. Und jetzt?

„Was rutscht der alte Mann auf dem Mädel rum?“, dachte ich, während sich im Fernsehen Irons auf Binoche abmühte. Das alte Gefühl leidenschaftlichen Mitfieberns stellte sich bei mir nicht mehr ein, obwohl wir erst kürzlich den Fernseher mit Großbildschirm erworben hatten. Ich schaltete um.

Auf dem anderen Sender lief ein Ökofilm, Basstölpel und Trottellummen verheddern sich in alten Plastiknetzen auf Helgoland und verenden grausam. Die Vögel sehen traurig zu, wie sich ihre Lang­zeit­part­ner:in­nen verfangen und sterben. Ich spürte tiefes Mitleid.

Ich bin heute ja viel in der Natur unterwegs und gucke kaum noch Fernsehen. Ich kann fünf Laubbaumarten voneinander unterscheiden. Jeremy Irons und Co sind irgendwie am Horizont verschwunden.

Spaziergänge, Häkeln, Haustiere und Scheidungen

Facebook hat meine Veränderung mitgekriegt, mir werden ständig neue Gruppen vorgeschlagen. Jetzt bin ich dem globalen Dull Women’s Club beigetreten, wo man bei der Aufnahme die Schuhgröße angeben muss und erklären soll, in welchem Reifezustand man Bananen liebt.

Binnen kürzester Zeit ist diese Gruppe auf eine Million Mitglieder angewachsen, es scheint, als hätten Hunderttausende Frauen überall auf der Welt nur darauf gewartet, sich ihre eigene dullness, ihre Langweiligkeit, einzugestehen und diese zu feiern. Es riecht nach Kult.

Spaziergänge in der Natur, häkeln, Haustiere, Scheidungen, das Alter und persönliche Macken spielen eine Rolle in den Posts. Schönheit, Konsum, Sport und teure Reisen weniger.

Regenwolken über dem Tempelhofer Feld

Irene aus den USA, 66, schreibt: „Ich bin in Rente nach langweiligen Jobs als Bürokraft und Verkäuferin. Mein aufregendster Job bestand darin, die Würmer in einem Geschäft für Angelbedarf zu zählen … Ich verbringe meine Tage damit, die Jungs gegenüber zu beobachten, die ein Haus bauen. Was mache ich nur, wenn sie fertig sind?“. Oder Jo aus England, 57: „Ich schaue gerne Folgen von ‚Midsomer Murders‘, obwohl ich sie schon viele Male gesehen habe. Ich mag es auch, verschiedene Marken von Zahnpasta auszuprobieren.“

Brittnay aus Wyoming, USA, 35: „Nach seinem Schlaganfall pflege ich meinen Vater zu Hause. Meine Kleidung passt inzwischen farblich zur Wohnungseinrichtung, ich sammle Pflanzen und alte Dinge, mein Bad mit den Pflanzen ist mein ganzer Stolz. Langweilig zu werden rettet mich“. Debbie, 62, lebt allein bei Baltimore in den USA: „Ich bin extrem langweilig, mit Multipler Sklerose. Ich will in diesem Leben noch lernen, wie man frisch gewaschene Spannbettlaken faltet.“ – „Spannbettlaken!“, so Andrea. „Erstaunlich, dass man die überhaupt falten kann. Halte durch!“

Vielleicht poste ich in der Gruppe demnächst mal was über meinen Versuch, Regenwolken über dem Flugfeld Tempelhof mit Bleistift zu zeichnen. Langweilig zu sein macht irgendwie frei.

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Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).
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5 Kommentare

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  • ,was rutscht der alte Mann auf dem Mädel rum, ‐ recht hatse!!

  • hey barbara, (kenne deinen bruder seit fast 1/2 jahrhundert oder so - avanti diletanti - das sagt ihm was) - bin jetzt evtl. älter als du, fahre mit mountain-bike trotz copd in bars und dance.



    alte männer haben mich noch nie - weder aufer leinwand noch sonst wo) interessiert. nur junge, möglichst schöne tänzer.



    hirn habe ich selbst. kenne weitaus mehr als 5 baumarten schon immer - das lohnt, glaubs mir. neben zig-wildkräutern + blumen.



    mein waldgarten (mitten in der HHer-city) ist traumhaft - voller akelei derzeit, die haben dieses jahr das zepter übernommen+walderdbeeren.



    zum häkeln komme ich einfach nicht, son scheiß aber auch.



    weil:



    zuviel zu tun - poltik steht wie immer an vorderster stelle



    -vor zig-jahren implodierte mein tv, weil ich ihn nach zig-jahrendas 1.x enutzte benutzte wg. 1 tagesschau.tv brauche ich einfach nicht.

    kinos schon - lichtmeß, b-movie, kleinstes kino der FHH im fux-projekt. u.a. independent kinos.



    tanzen, immer wieder tanzen. ohne tanzen sterbe ich in wenigen monaten.



    salutogenese im alter mit tanzen. schau dir tango-argentino-paare jenseits der 70 an.

    in den bars kommen die mädels: sowie du möchte ich alt werden. tut gut, vorbild sein, auch mit mode:



    mein look wird bewundert; zu recht. + das macht spaß.

    wenn ich angekrochen komme, in meiner lieblingsbar - am ende gehe ich aufrecht raus nach hause, mit oder ohne mountainbike, mit bus (schwarzfahren, auch geil)...

    • @Brot&Rosen:

      Die besten Tänzer sind nicht immer die schönsten. Just saying. Schön kann mir gerade beim Tanzen, gern aber auch bei Männern generell, gepflegt gestohlen bleiben.

    • @Brot&Rosen:

      Booey & Ja wie?



      “- - avanti diletanti - - “ ???

      “Wenn du einen Ton spielen kannst -



      Bist du dabei!“ - was eine Band - was ein viel gesuchter Gig und am Ende ein nicht endenwollender Beifall als das Festival der OJHS noch in der Adresse - Stadtgarten - in Kölle stattfand!



      Motto der Band “Schlafen könnt ihr wenn ihr tot seid!“



      UND -



      🥖&🌹💐 - war dabei¿!!! Tell me!

  • Ach was! ©️ Loriot

    Vllt liegt es ja daran - *45 andere Generation - wa!



    Daß ich dank denn Ol und großes Bruderherz - fünf? - 🙀🥳 -



    Mach Bosse - mit was über zehn alle hier wachsenden 🍂&🌲 Bäume einschließl. Ginko! (wuchs einer am Lindenplatz neben Willem I.)



    www.luebeck.de/de/...m-lindenplatz.html 🍃 irgendwo in irgendnem Schmöker inne Grabbel!;))



    & was sie scheit‘s nicht kennen!



    Muße - seit Kindesbeinen an!



    Uns Mouder beschrieb das für beide ihrer Söhne mal schmunzelnd so:



    (In Halle lebten wir in einer L-förmigen Wohnung - hinterm Hif ein “Garten“ von 150 qm



    “Naja - ich hörte euch mit anderen auf der Straße rumtoben!



    Und dann nicht mehr. Schaute aus der Küche in den Garten!



    Da pütschertes du wie früher Schrat (gr.Br.;) auch - vor dich hin!



    War was? Habt ihr euch gestritten? Nö. Wieso!“



    Weder im Job noch in der Musik hab ich mich je gelangweilt!



    Muße - ja satt - zb: Im stady state mit Langlauflatten durch den Wald!



    Und mit durchlüfteten Schädel diktierte sich das im Hinterkopf dabei geformte Urteil wie von selbst. Oder was sonst hakeliges anstand. Frei instant just in time improvisieren kannste nur in Muße eingebettet!



    Sonst - vergiß es! Frauman nennt es treffend - Murks! Woll



    & selbst dann =>



    Langeweile - ist ein wichtiges Antidot gegen Depression Bipolare Störung und was der Label mehr sind! Gewiß und sehr wirkungsvoll!



    Frau Dr. “Und Sie waren da wirklich schwer depressiv!“



    Aber “Na. Langweilig hier wie Knast! Nichtwahr?!“



    “Och nö. Hält sich in Grenzen! Eher wie in einem absurden Theater!“



    Dabei hab ich wieder malen gelernt und mit Ton zu arbeiten!



    Muße halt! Wollnich - aber Langeweile - ah geh -



    “…trug die folgenden Tage nur noch schwarzen Rollkragenpullover und Mini zu grellroten Lippen und schaute im Edelrestaurant älteren Männern mit grauen Schläfen hinterher.…“ - dafür - paraphrasiert - allerdings fehlt mir wohl n Gen! Gelle