: „Lücken bei Frauenrechten“
Weil Regelungen in Europa unzureichend sind, begrüßt Ursula Rust das neue Recht von Frauen, sich bei der UNO zu beschweren – und womöglich Schadensersatz zu erhalten
taz: Das Cedaw-Abkommen der UNO und auch das Zusatzprotokoll sind in Deutschland nahezu unbekannt – wie kommt’s?
Ursula Rust: Das Völkerrecht wird generell von der deutschen Justiz nicht genutzt. Mit dem Zusatzprotokoll, das ja konkrete Beschwerden ermöglicht, könnte sich das nun ändern.
Wer könnte sich denn nun beschweren?
Vor kurzem ging der Fall von Felicitas Weigmann durch die Presse, der Besitzerin des bordellartigen Café „Pssst“ in Berlin. Sie forderte, dass Prostitution nicht mehr als sittenwidrig gelten darf. Wenn deutsche Gerichte ihr nicht überraschend Recht gegeben hätten, hätte sie sich an den Cedaw-Ausschuss wenden können. In dem Übereinkommen steht nämlich, dass die Benachteiligung von Prostituierten verboten ist. Das hat die Kommission bei ihren Empfehlungen für Deutschland auch schon gerügt.
Wie reagiert der Cedaw-Ausschuss auf eine Beschwerde?
Das Vorgehen ist nun dasselbe wie vor dem Menschenrechtsausschuss. Man schreibt an die Kommission, und wenn sie die Beschwerde für gerechtfertigt hält, wendet sie sich an das Land und erklärt, was geändert werden muss und gegebenenfalls auch, welchen Schadensersatz sie für notwendig hält. Das Völkerrecht kennt hier natürlich keine Sanktionen, aber bei den Menschenrechtsfällen haben die Staaten oft reagiert und ihre Gesetzgebung geändert.
Ist es nicht einfacher, sich erst an europäische Gerichte zu wenden, die bindende Urteile fällen können?
Das kann man, aber im Fall von Frauenrechten gibt es in der europäischen Rechtsprechung große Lücken. Familienrechtliche Angelegenheiten etwa werden dort bisher kaum verhandelt. Cedaw hat den Vorteil, dass es einen Schirm bildet, der alle frauenrechtlichen Belange abdeckt.
Könnte sich nun eine Frau beim Cedaw-Ausschuss beschweren, weil es in Deutschland kein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft gibt?
Das Cedaw-Protokoll sieht vor, dass Staaten positive Maßnahmen ergreifen, um die Gleichstellung von Mann und Frau zu fördern. Dass das bei der Privatwirtschaft nicht passiert, wurde auch nach dem letzten Bericht Deutschlands gerügt. Wenn nun ein Betriebsrat gleichstellungspolitische Maßnahmen einführen will und das Unternehmen sich stur stellt, dann könnte sich eine Person, die sich benachteiligt fühlt, bei Cedaw beschweren, wenn sie in Deutschland keinen juristischen Erfolg hatte.
Bei schweren Verstößen gegen das Abkommen kann der Ausschuss nun auch intervenieren, sagt das Protokoll. Sehen Sie in Deutschland Fälle, in denen das in Frage kommt?
Ich könnte mir vorstellen, dass das im Bereich Asylrecht denkbar ist. Wenn in meinem Fachgebiet, dem Arbeitsrecht, etwa in puncto Lohngleichheit weiterhin nichts passiert, dann wird der Ausschuss seine Empfehlungen wohl sehr viel deutlicher formulieren. Wenn sich eine Frau beschwert hat, ist vorstellbar, dass der Ausschuss dann auch eine Entschädigung empfiehlt.
INTERVIEW: HEIDE OESTREICH
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