taz-Serie Der Zuckerberg | Teil 3: Liebe und Hass

So wie die Fifa das Fairplay versucht bei Facebook immer wieder der Humorlose den Humor zu erklären. Das ist die Beerdigung des Witzes.

Zwei Männer lachen

Bei einem offiziellen Fototermin mit dem SPD-Kanzlerkandidaten Schulz (r.) darf auch mal gelacht werden Foto: dpa

Das Titelblatt der taz zum Ableben eines Altbundeskanzlers ist seit langem die größte Diskussionssau, die durch mein Facebook-Dorf getrieben wurde. Könnte man mit Kommentaren steinigen, lägen die Verantwortlichen schon nach Minuten tot unter einem Schotterhaufen von der Größe des Mount Everest. Ein böser Mann hat offiziell die Vitalfunktionen eingestellt; nun hebt ein großes Mimimi an über das prinzipielle No-Go, einem frisch Verstorbenen so treffende wie bissige Worte in die offene Grube hinterherzuwerfen. Als ginge es nicht von Fall zu Fall um das Wer und Wie und Warum.

Eine Engländerin, die es nicht glauben will, fragt verzweifelt in die Runde: „Aber so gemein ist das doch gar nicht, oder? Ich verstehe es nicht.“ Vor ihr schäme ich mich für meine Landsleute. Für deren verbissenes „Wem das gefällt, der ist scheiße. Punkt“; ihr dogmatisches „Wer das gemacht hat, gehört entlassen/geohrfeigt/getötet“; und vor allem dafür, dass der Humorlose den Humor erklären möchte wie der Blinde die Farbe und die Fifa das Fairplay.

Polemik, Spitzzüngigkeit, schwarzer Humor sind sowieso nur erlaubt, wenn vorne „Satireblatt“ draufsteht, oder noch besser, „Haus des trefflichen Lustigseins“. Da gehört das hin, da kann man das verstehen. Man zahlt Eintritt, geht hinein, ein Mann kommt auf die Bühne, der seine Stimme verstellt und auch sonst lustig ist. Sehr. Aber niemals verletzend. Alle lachen, Klatschpappen, Tusch, Narrhallamarsch. Gemeinsames Schunkeln. Beerdigung des Witzes, des Geistes, der Seele und am Ende auch der Demokratie.

Ich fremdschäme mich auch für den Kollegen, der einen hier pauschal „scheiße“ nennt. Und merke doch gleichzeitig, wie fasziniert ich stets aufs Neue davon bin, wie verlässlich synchron das zumindest unter nicht völlig unsensiblen Leuten funktioniert: Denn analog zur Sympathie ist die Abneigung meist von selbstverständlicher Gegenseitigkeit; sie erstreckt sich von der Biochemie über die Haltung, den Humor, das Aussehen bis hin zur Beurteilung des beruflichen Wirkens. Ein Töpfchen, in dem der Hass brodelt und das passende Deckelchen dazu, damit er überkocht – es ist wirklich dasselbe Prinzip wie die Liebe. Und das Schöne ist ja, dass ich mir sicher sein kann, dass dem anderen meine Person ebenso rundum zuwider ist. Von einem Arschloch gemocht zu werden, wäre irritierender Sand im Getriebe der Zwischenmenschlichkeit. Kein Wunder also, dass die „herzliche Abneigung“ ein stehender Begriff ist.

Facebook. Ein alter Hut zwar, doch mit vielen bunten Federn. Angesichts der versammelten Pracht von Schreiadler, Vollmeise, Schluckspecht, Trollvogel sowie praktisch sämtlichen Kauzarten, soll diese Serie für den nötigen Durchblick sorgen.

Auf Facebook läuft man, auch ohne den biochemischen Faktor, auf Schritt und Tritt, Link und Post solchen Herzensfeinden (Stichwort erneut „Freunde von Freunden“) über den Weg. Facebook ist eine sich reproduzierende Hassmaschine. Hätte es damals schon das Internet gegeben, wäre sie vom NS-Propagandaministerium erfunden worden. Zum Selbstschutz bleibt oft nur eins: Gerät herunterfahren und immer locker durch die Hose atmen.

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Seit 2001 freier Schreibmann für verschiedene Ressorts. Mitglied der Berliner Lesebühne "LSD - Liebe statt Drogen" und Autor zahlreicher Bücher.

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