studentische stadtplanung: Utopie gesucht

Der Nordwestknoten wird saniert. Und während Bausenator Reinhard Loske auf "mittlere Sicht" dessen Abriss zusagt, zeigen Studierende derzeit mögliche stadtplanerische Alternativen auf

Amerikanische Verhältnisse: der mehrstöckige Nordwestknoten Bild: Jan Zier

Man stelle sich vor, der Nordwestknoten wäre weg: das Ungetüm, an dem Bremen American Highway spielt und städtisches Leben erstickt. Kein "Fly-Over" mehr nach Oldenburg, keine drei Etagen aus Auf- und Abfahrten und Autobahnzubringer. Das Stephanieviertel wäre nicht länger durch Bahn und Straße von der Überseestadt getrennt und Utbremen könnte wieder ein Stadtviertel werden.

Genau mit dieser kühnen Utopie haben sich Studenten des Masterstudiengangs Architektur an der Hochschule Bremen beschäftigt. Klaus Schäfer, Professor für Städtebau, stellte ihnen die Aufgabe, den Knoten mit Elan zu zerhauen und die Brache neu zu gestalten. Das Ergebnis kann man jetzt anschauen: Sinnigerweise dort, wo Stadtplanung politischer Alltag ist, beim Bausenator.

Neun verschiedene Modelle sind ausgestellt - und bei allen springt ins Auge, wie viel städtischer Raum plötzlich zur Verfügung stünde, wäre der Fly-Over weg: Raum für Stadtvillen und Blockrandbebauung, für urbane Plätze, für eine Mischung von Wohnen und Gewerbe. Das Stephaniviertel wäre keine abgeschnittene Insel mehr, Utbremen setzte sich organisch fort in Walle und Findorff.

Das zentrale Problem, das die Studenten lösen mussten: Wie führen sie Bahn und Straße durch das Viertel? Die meisten entscheiden sich für eine zweistöckige Lösung, oben fährt der Zug, unten ist Platz für Autos und Fußgänger. Ein Modell spielt mit der Idee eines Viadukts, unter der Bahn gibt es zum Teil Läden und Cafés, die Menschen promenieren, die Fahrspuren trennen die Quartiere nicht. Man denkt spontan an Berlin oder Hamburg, an die S-Bahn und den Isemarkt etwa und an die wechselnden Stadtdurchblicke.

Mit dabei bei der Präsentation der Modelle war Senatsbaudirektor Franz-Josef Höing. Er schaute sich alles sehr genau an und man merkte, wie es ihn elektrisierte, wie sehr Stadtplanung seine Leidenschaft ist. "In meinem letzten Leben", fing er an und dachte ganz offensichtlich daran, dass er vor kurzem noch selbst Studenten unterrichtete. Mit Lust am Diskurs schaltete er sich ein und sein Blickwinkel war nicht der eines Realpolitikers. Ihm waren die meisten Modelle eher zu wenig utopisch, zu sehr am Machbaren orientiert. Wo, fragte er mehrfach, wo sind die starken Bilder, die einen mitreißen, die Suggestivkraft? "Sie sind zu nüchtern, mir fehlt, dass ich eine Gänsehaut bekomme!", meinte Höing.

Während Studenten ihre Utopie vorstellten, stand der Fly-Over nach Oldenburg auch im Parlament auf der Tagesordnung: Dieser sei nicht mehr verkehrssicher - und wird deshalb während der Sommerferien saniert und dafür voll gesperrt. Zunächst bleibt dabei aber der Status quo erhalten. Aber vielleicht sind die Tage des Knotens trotzdem gezählt. Bausenator Reinhard Loske verspricht, dass er "auf mittlere Sicht" abgerissen wird, sobald der Autobahnring um Bremen geschlossen sei. Vielleicht können dann die Modelle der Studenten die utopische Kraft der Stadtplaner beflügeln.

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