: Und sie haben doch Humor!
Die Komik der deutschen Witzforschung. Ein Überblick zu neuesten Forschungen
Mehrmals vergeblich, weil die allgemeine Lage eher deprimierend ist, versuchte ich die von mir auf der Wahrheit-Seite in den vergangenen Jahren in Gang gesetzte Witzserie „Da lacht der Mongole“, „… die Inderin“ , „… der Araber“ und „… die Kommunistensau“ mit einer Würdigung des deutschen Witzes fortzusetzen. Nachdem nun ein ganzes Buch von Gert Raeithel – „Die Deutschen und ihr Humor“ – erschienen ist, kommt hier ein neuer Anlauf.
Den Autor kannte ich als Amerikanisten, der interessante Texte aus und über die USA schrieb. Der Untertitel seines neuen Werkes stieß mich jedoch ab: „Von Till Eulenspiegel bis Harald Schmidt“. Um sein Lebenswerk muss er sich allerdings keine Sorgen machen: So wurde sein Standardwerk aus der Wilden-Siebzigerjahre-Witzforschung: „Lach, wenn du kannst“, nach der witzlosen Wende wieder neu aufgelegt, diesmal unter dem braven Titel: „Der ethnische Witz“. Daneben veröffentlichte die Zeitschrift für Witzloses Denken, Merkur, Glossen von ihm über den „internationalen Humor“.
Ich vergab ihm den Untertitel, der eine chronologische Bearbeitung des Themas androhte. In Wort und Bild begann sein Buch über den deutschen Humor dann tatsächlich mit den mittelalterlichen Scheißwitzen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg fällt als Erstes Arno Schmidt mit seiner „Fäkalobsession“ auf. Mir fiel diesbezüglich vor allem der Genosse Pawla ein, der in Moabit in den Gerichtssaal schiss und sich dann mit seiner Akte den Arsch abwischte. Außerdem selbstverständlich die ganzen Studentenstreiks seit 1968, bei denen die Aktivisten stets ihre Ärsche gegenüber den Pressefofografen entblößten. Das ist schon fast internationaler Humor geworden. Dies kann der Jüdische-Witz-Forscher Leon Feinberg bestätigen: „Der skatologische Humor ist eine globale Erscheinung.“
Raeithel erwähnt Beispiele aus Afrika, Japan und Spanien. Mir kommen dazu noch all die nach Frauen mit Riesenbrüsten gierenden US-Männer in den Sinn, denen die „Bigboobs“ ein Arsch-Ersatz sind, den sie als verklemmt Schwule für „Tittifucks“ nutzen (müssen).
Die Witzforscher Raeithel und Feinberg sind Schüler des renommierten Witzforschers Gershom Legman von der Universität Texas. Feinberg veröffentlichte in des Meisters Zeitschrift Maledicta, die – wie der Name nahe legt – der Schimpfwortforschung gewidmet war. Heute firmieren witzigerweise rund 87.000 Websides amerikanischer Satanisten unter diesem „Label“.
In Deutschland wurde der „Pansexualist“ Legman vor allem mit seinem 1.000-Seiten-Wälzer über den „obszönen Witz“ bekannt. „Der obszöne Witz“ war vor allem sturzlangweilig: Unter den Stichwörtern „Schwiegermutterwitze“ und „Eselswitze“ zum Beispiel hatte Legman die entsprechenden Zoten rund um den Globus verfolgt – in ihren meist ruralen Varianten. Eine Fleißarbeit, aber kein Lesevergnügen. Dennoch hielt ich Legman die Stange, seine internationale Schimpfwortforschung nahm mich weiter für ihn ein.
Vor allem gilt das Weltumspannende jedoch für die „Urban Tale“, die als Nächstes gesammelt wurde – mit neuem Forschungsdesign und Büchern wie „Die Spinne in der Yuccapalme“. Während „die obszönen Witze“ überall auf der Welt neu erfunden wurden, brauchen die „Urban Tales“ nur einmal erfunden zu werden und rasen dann um die Welt, wobei sie sich überall als authentisch und lokal gerieren: als wahre Geschichten. Dadurch werden diese Tales gleichsam geerdet und gleichzeitig in Sammelbänden zu internationalen Bestsellern. Die „Urban Tales“ haben keinen Autor, nur einen Herausgeber, der dazu möglichst viele Korrespondenten braucht.
Erst „die Kunst des Humoristen ähnelt der Genialität des Erfinders“, meint Raeithel, um hier wieder den Bogen zu den Deutschen zu schlagen. Er nähert sich mit seiner Erkenntnis den feinhumorigen Dichtern vornehmlich der DDR: unter anderen Hermann Kant, Erwin Strittmatter und Ulrich Plenzdorf. Daneben erwähnt er noch den Eulenspiegel und Brussigs „Helden wie wir“. Aber viel zu selten erzählt er mal einen guten Witz wie diesen: Eine Redaktionsvolontärin soll einem alten Greis anlässlich seiner Goldenen Hochzeit nach der schönsten Zeit in seinem Leben fragen, und der antwortet ihr: „Die fünf Jahre in russischer Gefangenschaft!“ Raeithel merkt dazu irrigerweise an: „Wer hätte nicht Mitleid mit der Redaktionsvolontärin …“
Über die „Beamtenwitze“ meint er: Ihre „Zahl ist Legion, aber sie sind eintönig“, dennoch lässt er sie nicht aus, ebenso wenig die „Kaninchenwitze“. Je mehr Witze er anhäuft, desto mehr widerspricht er jedoch seiner These, die er laut Klappentext beweisen will: dass die Deutschen quer durch alle Schichten und Klassen Humor haben. Das ist allerdings lustig! Aber gar nicht zum Lachen – im Gegensatz zum neuesten deutschen Blondinenwitz: Was macht eine Blondine morgens mit ihrem Arsch? Sie schmiert ihm ein paar Brote und schickt ihn zur Arbeit.
HELMUT HÖGE