: Der folgenreiche Satz der Lea Rosh
Die umstrittene Plakataktion des Förderkreises für das Holocaust-Mahnmal hat Folgen: Ein ehemaliger KZ-Häftling erstattete Strafanzeige wegen Volksverhetzung. Nun fordert selbst Kuratoriumsmitglied Salomon Korn, die Kampagne zu stoppen
von NICOLE MASCHLER
Seit zwei Wochen hängt das Plakat, 30 Meter breit und 15 Meter hoch, am Pariser Platz mitten in Berlin: „den holocaust hat es nie gegeben“. Eine Provokation, auch wenn die Erläuterung im Kleingedruckten folgt: „Es gibt immer noch viele, die das behaupten. In 20 Jahren könnten es noch mehr sein.“ Nicht nur auf dem Megaposter, auch in Zeitungsanzeigen und TV-Spots ist die Behauptung notorischer Holocaust-Leugner zu lesen. Auf einer Gratispostkarte steht der Satz sogar ohne Kommentar – er findet sich erst auf der Rückseite. Der „Förderkreis zur Errichtung eines Denkmals für die ermordeten Juden“ will mit der Kampagne um Spenden werben. „Wir müssen die Leute aufrütteln“, rechtfertigt sich Vereinsvorsitzende Lea Rosh.
Das ist ihr gelungen. Vor gut einer Woche hat ein ehemaliger KZ-Häftling Strafanzeige bei der Berliner Staatsanwaltschaft gestellt – wegen Volksverhetzung. Er hat Angehörige in Auschwitz verloren. Mehrere Bürger haben sich inzwischen der Anzeige angeschlossen. Die Staatsanwaltschaft leitete ein Ermittlungsverfahren ein – gegen Lea Rosh.
Ob dies Erfolg hat, ist indes fraglich. „Für die Erfüllung des Straftatbestandes der Volksverhetzung braucht es einen Vorsatz“, sagte der Berliner Rechtswissenschaftler Uwe Wesel der taz. Den aber könne man Rosh nicht vorwerfen, sei sie doch die Initiatorin des Mahmals. Das Gericht, prophezeit Wesel, werde sich gar nicht mit der Anzeige befassen. „Schließlich ist politische Dummheit nicht strafbar.“
Rosh fühlt sich missverstanden. „Ich finde es überzogen, uns Holocaust-Leugnung vorzuwerfen.“ Stehe doch die Erläuterung direkt neben dem umstrittenen Satz. Dieser sei zudem auf ihr Betreiben hin eindeutig als Zitat gekennzeichnet. Es mache sie traurig, dass der KZ-Häftling derart betroffen sei. Aber: „Ich finde es befremdlich, dass der Anzeigensteller die Erläuterung offenbar nicht zur Kenntnis nehmen will“, so Rosh. Schließlich habe man wochenlang über die Kampagne diskutiert. Auch Wolfgang Thierse, der Vorsitzende der Stiftung „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“, habe keine Bedenken geäußert.
Keineswegs, sagt die Geschäftsführerin der Stiftung, Sibylle Quack. Rosh habe die Aktion im Kuratorium lediglich kurz vorgestellt. Sowohl Thierse als auch Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin hätten sofort Kritik angemeldet. „Doch da war es schon zu spät.“ Das Vorgehen des Vereins werde in der nächsten Kuratoriumssitzung im September zur Sprache kommen. Den Antrag dazu will Kurator Salomon Korn, Mitglied des Zentralrates der Juden, stellen. Er wirft dem Förderkreis vor, keine Rücksicht darauf zu nehmen, dass sich Menschen durch die Aktion verletzt fühlen könnten. So könnte die umstrittene Werbung zwar keine juristischen, aber dennoch politische Konsequenzen haben.
„Die Kampagne schadet dem Mahnmal“, so Korn zur taz. Es sei längst nicht mehr Sache Einzelner, sondern eine Angelegenheit der Bundesrepublik. „Aber im Zusammenhang mit dem Mahnmal war Frau Rosh noch nie von der Gnade des Zweifels geplagt.“ Das Kuratorium müsse daher Regeln aufstellen, wie seine Mitglieder künftig nach außen auftreten. Und: „Ich gehe soweit zu sagen, dass die Plakataktion gestoppt werden muss.“
Doch im Kuratorium gehen die Meinungen auseinander. „Diskussion ist es, was das Thema braucht“, findet der Grüne Volker Beck. Aber: „Wenn das Plakat überall missverstanden wird“, räumt er ein, „muss man natürlich Konsequenzen ziehen.“ Er rate dem Förderkreis, mit dem Anzeigensteller Kontakt aufzunehmen. Das lehnt Rosh ab.
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