: Polizei-Großaufgebot beendet Nazi-Konzert
500 Beamte sprengen im Kreis Dithmarschen eine Rock-Veranstaltung mit 200 Rechten. Offenbar sollte hier im Örtchen Neufeld ein neuer Szenetreff entstehen. Die Polizei spricht von gewaltbereiter Klientel
In der Nacht zum Sonntag hat ein Großaufgebot der Polizei ein Rechtsrockkonzert im schleswig-holsteinischen Neufeld (Kreis Dithmarschen) beendet. Um 20 Uhr hatten sich rund 200 Neonazis in dem kleinen Ort versammelt. Sie wollten in der „Börse“ vier Neonazibands erleben, darunter „Sachonia“ aus Deutschland und „SPQR“ aus Italien. Keine drei Stunden später war die vermeintliche Geburtstagsfeier in der gemieteten Gaststätte beendet.
500 Polizisten und Sondereinsatzkräfte waren angerückt und hatten sogar einen Wasserwerfer mitgebracht. Es handele sich um ein „sehr gewaltbereites Klientel“, begründete Polizeisprecher Michael Baudzus das Aufgebot. Bereits im April hatte die Polizei bei einem Konzert in der „Börse“ festgestellt, dass von rund 100 Besuchern 70 strafrechtlich bekannt waren – auch wegen Körperverletzung. Waffen, Baseballschläger und indizierte Rechtsrock-CDs wurden damals beschlagnahmt.
Am Samstag nun umstellte die Polizei das Gebäude, über dem eine schwarz-weiß-rote Fahne wehte. Daneben: ein Transparent mit der Aufschrift „Den roten Sumpf trocken legen – Linksradikale Strukturen zerschlagen“. Zwei Polizeischeinwerfer leuchteten das Gelände aus. „Die Veranstaltung ist beendet“, erklärten die Uniformierten über Megaphon. Ohne Widerstand verließen die im Szenelook ausstaffierten Gäste das Gebäude: eigens für den Abend rasierte Glatzen, frisch blondierte Mähnen, ein Bier in der Hand. Einige riefen „Frei – sozial – national!“ Die Polizei durchsuchte die Konzertgänger und stellte deren Personalien fest.
Bis zu dem Polizeieinsatz dürfte Veranstalter Oliver M. geglaubt haben, er könne das öffentliche Konzert unter dem Deckmantel einer privaten Feier durchführen. Der Polizei hatte er vorab angekündigt, 18 Ordner zu stellen, die mit dem Shirt „Honour & Pride“ gekennzeichnet seien. Nicht nur das Logo dieser seit einigen Jahren bestehenden Gruppe erinnert an das verbotene Neonazi-Netzwerk „Blood & Honour“.
Schon bei dem Konzert im April hatte die Polizei beobachtet, dass Eintritt in Form von Spenden genommen und Getränke gegen Bezahlung ausgeschenkt wurden. Auch seien CDs vertrieben worden. Damit liege eine kommerzielle Veranstaltung vor, die Auflagen wie Baubestimmungen und Schankkonzession unterliege. Am Samstag nun stellte Polizeieinsatzleiter Dieter Böckle zudem „Bestrebungen“ unter den Besuchern fest, „die die NS-Diktatur und Wertvorstellungen glorifizieren, verharmlosen oder ihre Wiederbelebung intendieren“.
Die „Börse“ war im vergangenen halben Jahr bereits siebenmal Treff von Skinheads auch aus Niedersachsen und Nordrhein-Westfallen. Im nahen Neumünster besteht seit zehn Jahren das Neonazizentrum „Club 88“ – einen weiteren Sammelpunkt in Neufeld wollen die Behörden offenbar verhindern. Zwei „Kameraden“ wohnten in der „Börse“, sagt ein Anwohner. Tagsüber sei wenig los, doch „man weiß ja nie, was da passiert“. Morgen will die Polizei ihre Ermittlungsergebnisse vorstellen. ANDREAS SPEIT