die Wahrheit : Kritische Giraffen

Zu den Innovationen in den Kaskoverträgen mancher Autoversicherer gehört der „erweiterte Haarwildbegriff“ ...

Zu den Innovationen in den Kaskoverträgen mancher Autoversicherer gehört der „erweiterte Haarwildbegriff“. Wer eine solche Klausel in seinem Vertrag findet, der denkt sich erst einmal: „Hey – das hat aber auch nicht jeder!“, und fährt gleich noch etwas riskofreudiger als ohnehin in die Dämmerung. Doch was verbirgt sich dahinter?

Zunächst einmal scheint es einen Haarwildbegriff im eigentlichen, nichterweiterten Sinne zu geben: Tiere mit Haaren dran, die zur achtlosen Überquerung von für den Kraftverkehr bestimmten Flachbauwerken, sprich: Straßen, neigen. Hamster. Wildschweine. Giraffen. Gerade Giraffen sind kritisch! Wenn sie auf der einen Straßenseite stehend das Gras vom anderen Straßenrand äsen, werden sie für Schranken gehalten und von Fahrern in tiefergelegten Golf-GTIs schon aus Prinzip ignoriert.

Was gehört nicht dazu? Bäume. Poller. Haarlose Tiere wie Fische. Oder Vögel. Die stellen aber kein nennenswertes Versicherungsrisiko dar. Oder sind Sie schon mal mit einem Haubentaucher zusammengestoßen? Sicher nicht, sofern er dort taucht, wo er zu tauchen befugt ist.

Der erweiterte Haarwildbegriff erfasst demnach Tiere, die im eigentlichen Sinne kein Haarwild sind. Weil sie entweder keine oder zu wenig Haare haben. Oder nicht wild genug sind, aber trotzdem unbeleuchtet und, ohne nach links und nach rechts zu schauen, am Straßenverkehr teilnehmen.

Oder vielleicht noch nicht mal Tiere sind. Nach Auskunft eines Fachmanns von der Nürnberger Versicherung gehören „auf jeden Fall auch Vögel dazu“. Das überrascht ein wenig, denn Vögel hätte man vermutlich nur unter den „sehr erweiterten und im Grunde alles Lebende umfassenden Haarwildbegriff“ subsumiert. Doch die Sprache der Versicherer ist ein weites Feld.

Die Verhältnisse sind klar. Das Haarwild ist das Risiko, der Autofahrer der Schutzbedürftige. Klingt ungerecht, aber so ist das Leben. Hätten Tiere eine Kasko-Versicherung, wär’s umgekehrt. So aber stellt sich die Frage, wie der erweiterte Haarwildbegriff bei den Tieren ankommt. Ist der Fuchs, der schon immer Haarwild war, jetzt neidisch auf die Emporkömmlinge, die nun in den Genuss desselben Status kommen? Die Lösung kann er sich bei uns Menschen abschauen: Es gibt Haarwild erster und zweiter Klasse.

Nur als Beispiel zur Verdeutlichung, nicht zum Nachmachen oder so: Wenn man einen Vertrag mit erweitertem Haarwildbegriff hat und in seinem VW Tuareg mit der unvermittelt aus dem Unterholz hervorbrechenden Heidi Klum kollidiert, dann kriegt man den am Fahrzeug entstandenen Schaden erstattet. Wer allerdings die neue Folgen von „Germany’s next Top Haarwild“ moderieren soll, steht in den Sternen.

Doch das Leben besteht nicht nur aus Wildunfällen. Wenn es plötzlich so komisch feucht im Innenraum wird und die Beifahrerin kreischt: „Das ist keine Nebelbank. Das ist die Elbe!“, dann haben Sie, sofern es Ihnen gelingt, die unmittelbaren praktischen Probleme (Wie krieg ich denn jetzt die Tür auf?) zeitnah einer Lösung zuzuführen, später ein Kasko-Problem. Es sei denn, Sie haben einen Vertrag mit „erweitertem Nebelbankbegriff“.

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kari

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