Zwischen den Rillen: Sinnsuche eines Allrounders

Aus der Provinz in die Großstadt: Der Rapper Mortis verarbeitet auf seinem Debütalbum „Hollywoodpsychose“ seinen Werdegang.

Mortis rappt nicht nur, er produzierte sein erstes Album in Eigenregie. Bild: Stefan Braunbarth

Idyllische Wälder, plätschernde Bäche und Sonnenstrahlen, die lautlos durch die Baumwipfel scheinen. Der Südharz. Nur einen Atemzug später erschüttern dumpfe Technobässe die Fassade im plötzlich grellen Neonlicht. Kalter Zigarettenrauch schleicht sich durch den Hinterhof eines Wohnblocks. Berlin.

Marc Junge, besser bekannt als Mortis, ist der Protagonist seines ganz persönlichen Rap-Films. Die Geschichte des Dorfkinds, das in die große Stadt zieht, ist zwar nicht die innovativste. Doch Mortis hält auf seinem Debütalbum „Hollywoodpsychose“ bewusst die eigenen Fäden in der Hand. Das rappte er nämlich nicht nur solo, sondern produzierte alle 13 Tracks in Eigenregie.

„Baute im Studio Beats, anstatt Fußball zu spielen“, heißt es da. Musik ist Mortis’ Lieblingsbeschäftigung, er tüftelt wie besessen an seinem Sound. Daraus resultieren dichte Klangteppiche, sorgfältig ausgewählte Soul-Samples und gesungene Hooklines, die derweil schon als inoffizielles Erkennungsmerkmal für Mortis’ Version von HipHop fungieren.

Bis jetzt beschränkt sich Mortis’ Bekanntheitsgrad noch auf die Rapszene, ein Anfänger ist er keineswegs: Unter dem Namen Mortis One veröffentlichte er bereits einige Mixtapes; als Mortis folgte dann Anfang des Jahres die EP „Der Goldene Käfig“ beim HipHop-Label Showdown Records.

Trotz der Rap-Sozialisierung ist „Morti“, wie er liebevoll in der Szene genannt wird, weder Gangster noch Hipster. Stattdessen macht er Pop mit mehrheitlichen Rap-, aber auch genreübergreifenden Elementen und gitarrenlastigeren Melodien. Sein Elternhaus spielt dabei auch eine Rolle, denn seine Eltern hören gerne Manowar und Metallica. Das hat den Sound seines Albums mitgeprägt.

Coming-of-Age-Story

Textlich bewegt sich „Hollywoodpsychose“ durch die vergangenen zehn Jahre in Mortis’ Leben. Auf dem Album erstreckt sich das von seinen Rap-Anfängen in der Provinz, dem 18. Geburtstag und dem damit verbundenen Umzug zu seinem DJ nach Hannover, wo er sich nur auf einer Matratze in dessen Flur einquartierte, über Berlin, nächtliche Erlebnisse, Partys, Alkohol und dem finanziellen Über-die-Runden-kommen.

Mortis spart sich die hochtrabenden oder politischen Themen, zwischen den Zeilen schwingen dennoch philosophische Lebensfragen mit. Fragen, die das Leben eines Endzwanzigers mit sich bringen. Sinnsuche, die auch durch das Wort „Psychose“ im Albumtitel angedeutet wird. Sie wird durch seine atmosphärischen Instrumentals untermalt, aber nie konkret ausformuliert.

Die Idee zum Albumtitel sei aber durch einen YouTube-Kommentar entstanden, in dem ein Nutzer über den Rapper schrieb, das er „voll die Hollywoodpsychose“ hätte, sagt er selbst.

„Hollywoodpsychose“ ist die musikalische Coming-of-Age-Story eines mittlerweile jungen Erwachsenen. Er erzählt seine Entwicklung vom Exzess zur ernsthaften Existenz. Mortis wirkt mit seinen 29 Jahren als Künstler noch unbefangen. Er hat seinen Stil gefunden, hat aber hinsichtlich seiner musikalischen Qualität und Live-Performance auch noch Luft nach oben.

Da Frauen in der Rapszene nach wie vor in der Minderheit sind, wirkt es allenfalls wie ein Tropfen auf dem heißen Stein, dass der einzige Feature-Gast auf dem Album weiblich ist. Die Rap-Moderatorin Visa Vie eröffnet gemeinsam mit ihm den Trackreigen mit der berechtigten Frage: „Wer ist dieser Mortis?“ Es ist kein Geheimnis mehr: Der Mann ist ein Allround-Talent und hat das HipHop-Game verstanden. Der YouTuber hatte übrigens Unrecht, Mortis erleidet keinen Realitätsverlust. Und Berlin ist auch nicht Hollywood.

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