Zum Tod von David Bowie: Der Lieblingscousin jedes Aliens

David Bowie stirbt nie. Dafür ist er zu präsent im eigenem Leben. Mit seiner Musik teilte man fröhliche und schreckliche Zeiten.

Blumen, Kerzen und Karten für David Bowie liegen am neben einen Foto des Musikers

In der Hauptstraße in Berlin-Schöneberg wohnte der Musiker in den Siebzigerjahren. Unweit entfernt ist die Bar „Neues Ufer“. Foto: ap

Eigentlich weigert man sich, alles sträubt sich dagegen, über David Bowie in der Vergangenheitsform zu schreiben. Zu präsent ist der Popstar im eigenen Leben. Das erste Lied, das ich von ihm gehört habe, war “The Laughing Gnome“. Ich war wohl zehn Jahre alt und lag mit Magen-Darm-Grippe im Bett. Das lustige Lied mit den piepsenden Gnomen hatte nach Bonbons geschmeckt und war Bowie später recht peinlich. Das letzte Lied war „Lazarus“ von seiner neuen Platte „Blackstar“.

Am Samstag haben wir noch über Geheimbotschaften in dem Lazarus-Video gesprochen. Der britische Komiker Jimmy Fallon hat herausgefunden, dass auf einem der Zettel, die Bowie gegen Ende des Videos manisch beschreibt, „Help me“ steht. Man konnte es in der Schnelle nicht verifizieren, weil die Zetteleinblendungen wahnsinnig kurz sind. Erst kam es mir so vor, als habe das sich der Komiker ausgedacht. Nach der Nachricht von Bowies Tod bin ich mir nicht mehr so sicher.

Wir waren auf der Geburtstagsfeier von David Bowie, den der David-Bowie-Fanclub seit zwölf Jahren im „Neuen Ufer“ (dem „Ex-Anderes-Ufer“) feiert. Das Publikum, die Bowie-Fans, war super angenehm und überhaupt nicht arrogant, wie einige Bowie-Mode-Fans in den 80er Jahren, die mit ihren Modezeitungen herumwedelten. Die meisten waren zwischen 40 und 50, Jüngere waren aber auch dabei. Die Stimmung war gut und wir haben wieder Karaoke gesungen; „Life on Mars?“, „Drive-in Saturday“ und „Under Pressure“. Die ersten beiden Lieder sind meine Lieblingslieder von Bowie. Wenn man es so sagen kann, es sind ja so viele. „After All“.

Ich dachte an die Zeit, als ich das erste Mal im „Anderen Ufer“ war. 1982. Mit einer Freundin, die an der HdK studierte und erzählte, wie Bowie auch die HdK besucht hatte und dass alles eigentlich ein bisschen peinlich gewesen wäre. Ich hatte zugehört, geschwiegen und an die Zeit gedacht, als wir als Teenager in meinem Zimmer saßen und zu den getragenen Stücken von „Low“ – „Warszawa“, „Art Decade“ kifften und Tee tranken. Ein Freund hatte sich das Leben genommen. Bowie war Musik für gefährdete Jugendliche. Das Leben schien kurz: „We got five years/ my brains hurts a lot/ Five years /that’s what we got“.

Lieder mit Gewicht

Im Sommer 1983 war ich auf drei Konzerten der unterschätzten „Serious-Moonlight“-Tournee. Zwei in Bad Segeberg, eins in Berlin. Immer in den ersten Reihen. Erst bei einer Loveparade in den 90ern habe ich mich wieder so wohl unter vielen Menschen gefühlt wie bei dem Berliner Konzert der „Serious-Moonlight“-Tour. Aus irgendeinem Grund haben wir uns auch angewöhnt, nicht „Bowie“, sondern „Buwie“ zu schreiben.

So verging die Zeit. Das Berliner Konzert der „Glass-Spider“-Tour 1987 vor dem Brandenburger Tor, das so wichtig für die DDR-Opposition sein sollte, kam mir schrecklich überladen vor. Als der „Tresor“ in der Leipziger Straße dichtmachte und als eines der letzten Stücke „Heroes“ gespielt wurde, hatte das etwas von einem Marketing-Gag. Die aufgeblasene Präsentation von „Outside“ 1996 habe ich eher in schlechter Erinnerung.

Die Beziehung zu Bowie war wie die zu einem potenziell besten Freund, älteren Bruder oder Onkel. „Every alien’s favourite cousin“ hatte ihn Tilda Swinton in ihrer großartigen Rede zur Eröffnung der Bowie-Ausstellung in London genannt.

Dann sind wir nach Hause gegangen. Auf die nasse Scheibe des „Neuen Ufer“ hatte jemand „Bowie“ geschrieben. Ich dachte an das Lied, das die Berliner Technomusikerin Pilocka Krach vor ein paar Jahren gemacht hatte: “David Bowie will never die“.

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