Zukunftsmesse „South by Southwest“: Karneval der Kreativen in Texas

Zur „South by Southwest“ in Austin kommen Menschen aus Politik, Kunst und Abgesandte des Silicon Valleys. Thema ist die Regulierung der Großkonzerne.

Eine junge Frau singt in eine Mikrofon, viele Menschen stehen um sie herum

Musikerin Dreezy auf dem South by Southwest Foto: ap

„Digitale Gangster!“ T-Bone Burnett ist sauer. Der mehrfache Grammy- und Oscar-Gewinner sprach auf der Konferenz South by Southwest in Austin nicht, wie eigentlich erwartet, über seine Kompositionsarbeit an Lieblingsfilmen wie „Big Lebowski“ oder „O Brother Where Art Thou“. Eine geschlagene Stunde schimpft T-Bone, der mittlerweile 71 Jahre alt ist, auf die Milliardäre im Silicon Valley, die mit unserer Privatsphäre Fantastilliarden verdienen. Deutschland, sagt T-Bone Burnett später bei einem Interview, sei der Regulierungsvordenker gewesen, nun schnallt es die ganze Welt.

„Zerschlagt sie!“, schmetterte auch Elisabeth Warren, eine US-Präsidentschaftskandidatin ins Publikum. Auch sie, die Senatorin aus Massachusetts und große alte Dame der DemokratInnen, erhält donnernden Applaus und Standing Ovations – für die reichlich unamerikanische Ankündigung, die Tech-Konzerne Google, Amazon und Facebook regulieren zu wollen. Obwohl genau diese Firmen in Austin große Büros eröffnet und Tausende neuer Jobs geschaffen haben.

Denn Austin ist die liberale Oase im sonst stockkonservativen Texas. Die Messe South by Southwest, gegründet 1987, hat in der Stadt für einen Boom gesorgt. Neue Hotels, Hochhäuser und Apartments schießen aus dem Boden, die Immobilienpreise kann sich kein normaler Mensch mehr leisten.

Zukunftswerkstatt und Glaskugel

South by Southwest, eine der größten Zukunftswerkstätten der Welt, ist immer auch eine Glaskugel, in der sich Denkströmungen ablesen lassen. Vor drei Jahren hielt der damalige Präsident Barack Obama hier seine Keynote. Die letzten zwei Jahre war aber Depression angesagt – auf Trump fanden die digitalen Hipster keine Antwort. Nun muss Alexandria Ocasio-Cortez für Stimmung sorgen. Sie ist ein Shooting-Star der Demokraten, gerade hat sie ein Bauprojekt von Amazon in ihrem Wahlbezirk im New Yorker Stadtteil Queens mit verhindert. „Every billionaire is a policy failure“, ist ihre Haltung. Und das macht alten Republikanern genauso viel Angst wie den Silicon-Valley-Platzhirschen.

Sind die notorisch zukunfts­optimistischen Amis verrückt geworden? Der „tech anger“, wie er hier genannt wird, ist neu in den USA. Und hat in der Schärfe auch Mike Krieger und Kevin Systrom überrascht. Eigentlich wollten sich die beiden Gründer von Instagram auf der South by Southwest für ihren Monsterdeal mit Mark Zuckerberg feiern lassen. Sie hatten ihre Foto- und Influencer-Plattform für eine Milliarde an Facebook verdealt.

Stattdessen müssen sich die beiden Tech-Haie nun mit den lästigen Regulierungsvorstößen der Politik beschäftigen. Allerdings reagieren die beiden auch da reichlich pragmatisch. Wenn der Markt nach anderen Business-Modellen verlange, müsse man die eben finden. Es war sicher nicht zufällig, dass auch Mark Zuckerberg zeitgleich zur Messe eine Art Greenwashing-Kampagne gestartet und treuherzig den Schutz der Privatsphäre als Ziel für seinen Konzern ausgegeben hat.

Feministisch wie nie

Auf der Messe in Austin treffen sich Forscher und Filmschaffende, Geldgeber und Gurus, Musiker und WissenschaftlerInnen. Ein Karneval der Kreativen mit einem ganzen Bündel an Themen. Über 30 Panels gab es zu Marihuana, das mit der Legalisierung in vielen Bundesstaaten zum Riesengeschäft geworden ist. Künstliche Intelligenz war ein anderes Thema. Forscher und Professoren konfrontieren das Publikum mit Fragen: Darf und kann eine KI Emotionen haben? Dient uns die KI oder werden wir ihr dienen? Und sind Kunstwerke Kunst, wenn sie kein Mensch, sondern eine künstliche Intelligenz gemalt hat?

Permanent flippern und oszillieren die Themen in Austin hin und her. Ethan Hawke lässt sich kurz blicken, Elisabeth Moss kuschelt auf einem Panel mit der Sängerin Belinda Carlisle, Amanda Palmer bilanziert ihr Crowdfunding-Projekt. Und die Beastie Boys stellen gewohnt launig, anarchisch und selbstreferentiell ihre Bandbiografie vor. Nein, die Beasties würden sich nur schwer von einer KI kalkulieren lassen. Fast ist die Atmosphäre so, als würden der Astral-Jazzer Sun Ra und die Feministin Laurie Penny auf dem Mars ein Raumschiff chartern, um damit zurück zur Erde Richtung Texas zu fliegen. Leider stellen sie an Bord aber fest, dass im Cockpit Amazon-Chef Jeff Bezos sitzt.

Aber die männlichen Piloten bekommen in diesem Jahr ihr Fett weg – noch nie war South by Southwest so feministisch und so auf Diversity programmiert. Mehr als 50 Panels drehen sich um Empowerment: Afroamerikanische Journalistinnen berichten über die Hindernisse, in den großen amerikanischen Medienkonzernen Fuß zu fassen. Amani Al Khatacht­beh hat muslimgirl.com aufgebaut, mittlerweile die größte englischsprachige Plattform für feministische muslimische Stimmen. Und zitiert im Gespräch mit der taz das Civil Rights ­Movement: „None of us are free“, sagt sie, wenn wir nicht alle die gleichen Rechte haben. Queere Menschen, trans* Menschen, People of color – „schert euch um nichts“, sagt sie, „findet eure eigene Stimme, festigt sie, auch wenn sie in keine Schublade passt“. Austin 2019 – in vielen Panels dann doch: eine ganze Menge an Aufbruchstimmung von zutiefst menschlichen Wesen.

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