Zapatisten in Mexiko: Der, den es niemals gab

Der „Subcomandante Marcos“ war die Ikone der mexikanischen Zapatisten. Jetzt gibt es ihn nicht mehr. Oder es gab ihn nie.

Adios, compañeros! Der „Sub“ 2001. Bild: ap

BERLIN taz | Seit 20 Jahren war er das Gesicht des zapatistischen Aufstands im mexikanischen Chiapas. Das heißt: Eigentlich hatte er kein Gesicht. Vom „Subcomandante Insurgente Marcos“ waren stets nur die Augen zu sehen, der Rest steckte unter einer Skimaske. Er rauchte Pfeife, hatte eine Militärmütze auf und zwei Patronengürtel umgehängt, manchmal ein Funkgerät am Gürtel. Mal saß er hoch zu Pferde, mal sprach er am Mikrofon.

Vor allem aber schrieb er. Es war im Februar 1994, noch keine zwei Monate, nachdem die Zapatistische Befreiungsarmee (EZLN) am Neujahrstag die Stadt San Cristóbal de las Casas überfallen und sich ein Feuergefecht mit der Armee geliefert hatte, als der erste Text des Subcomandante in der Zeitung La Jornada erschien, betitelt „Zwei Winde, ein Sturm und eine Prophezeiung“.

Der Text, zwei Jahre zuvor entstanden, war anders als alles, was man je von bewaffneten Bewegungen gelesen hatte: eine poetische, humorvolle, bissige Beschreibung der chiapanekischen Realität. Es war der Beginn einer Verzauberung. Marcos’ Texte wurden übersetzt, verlegt, seine „Geschichten vom alten Antonio“ führten zärtlich ein in die Lebens- und Gedankenwelt jener, die sich in Chiapas gegen Ungerechtigkeit und „die schlechte Regierung“ erhoben hatten.

1995 „enthüllte“ der Geheimdienst die Identität des Subcomandante: Es handele sich um den 1957 geborenen Rafael Sebastián Guillén aus Tampico, einen linken Universitätsprofessor.

Jetzt hat die EZLN einen Schlussstrich gezogen. Am vergangenen Sonntag ließ Marcos einen Text verlesen, in dem er das Ende der Existenz des Subcomandante bekannt gibt. Den habe es niemals wirklich gegeben, es sei ein von der EZLN geschaffenes Phantom gewesen, einst kreiert, um den Medien etwas zum Schreiben zu geben. Aber, so heißt es in der Erklärung: „Marcos ist vom Sprecher zum Ablenkungsfaktor geworden“, daher habe man sich kollektiv entschieden, den Charakter verschwinden zu lassen.

Im Übrigen aber danke man dem tapferen Rafael Sebastián Guillén aus Tampico, dass er, obwohl er die Chance gehabt hätte, zu beweisen, dass er nicht „Marcos“ war, so lange einfach mitgespielt habe.

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