Zahlungen an NS-Opfer: 1.500 Euro für erlittenes Unrecht

Mehrere hundert ehemalige Ghettoinsassen haben inzwischen einen „Rentenersatzzuschlag“ erhalten. Für viele kam die Leistung zu spät.

Ein Aktenstapel

Zu langsam geregelt: Ehe die deutschen Behörden soweit waren, starben viele NS-Opfer Foto: dpa

Viele sind es nicht mehr, aber immerhin: Seit Sommer vergangenen Jahres haben 655 ehemalige Ghettoinsassen einen einmaligen „Rentenersatzzuschlag“ in Höhe von 1.500 Euro erhalten. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion hervor, die der taz vorliegt. Von den insgesamt 1.266 gestellten Anträgen wurden 283 negativ beschieden, 326 sind noch nicht endgültig bearbeitet.

Bei den Antragsberechtigten geht es um einen kleinen Kreis Hochbetagter, der lange Zeit in eine prekäre rechtliche Lücke gefallen war: Menschen, die in einem Ghetto im nationalsozialistischen Einflussbereich einer „freiwilligen“ und „entlohnten“ Arbeit nachgehen mussten und dadurch zwar Rentenanspruchszeiten gesammelt haben – jedoch nicht genügend, um einen Anspruch auf Leistungen nach dem Ghetto-Rentengesetz zu haben.

Auf Ghettoinsassen die gleichen rentenrechtlichen Bestimmungen des deutschen Sozialgesetzes anzuwenden, die für eine „normale“ Rentenanwartschaft gelten, klingt absurd, ist aber Realität: Auch eine Ghettorente können Betroffene nur dann erhalten, wenn für sie mindestens fünf Jahre Rentenversicherungsbeiträge gezahlt wurden. Da kein Ghetto länger als vier Jahre existierte, muss der jeweilige Antragsteller also noch eine andere rentenversicherungspflichtige Arbeit nachweisen, was vor allem etlichen NS-Opfern aus Osteuropa nicht möglich war und ist.

Damit diese Gruppe jedoch nicht weiter völlig leer ausgeht, verständigten sich die Bundestagsfraktionen von Union, SPD, Grünen und Linkspartei auf jenen „Rentenersatzzuschlag“ von 1.500 Euro, den die Bundesregierung dann per Änderung einer Richtlinie im Juli 2107 ermöglichte. Es gehe um eine Lösung, „die den betroffenen hochbetagten und oft sehr armen Menschen schnell und unbürokratisch hilft“, schrieben seinerzeit die Abgeordneten Peter Weiß (CDU), Kerstin Griese (SPD), Markus Kurth (Grüne) und Matthias W. Birkwald (Linkspartei) in einer gemeinsamen Erklärung.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) ging damals von 1.380 betroffenen Personen aus. Doch für viele kam die Neuregelung zu spät: Zahlreiche potenziell Berechtigte seien bereits verstorben, heißt es jetzt in der Antwort der Bundesregierung. Daher konnten nur noch 920 Berechtigte angeschrieben werden, von denen 536 einen Antrag auf den „Rentenersatzzuschlag“ gestellt hätten.

„Zu junge“ Ghettoinsassen bleiben ausgeschlossen

„Dass einige hundert Menschen, die bislang von jeglicher Anerkennung für die Schufterei im Ghetto ausgeschlossen blieben, jetzt wenigstens diese Leistung erhalten, ist natürlich eine gute Nachricht“, kommentiert die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke, die Zahlen.

Gleichwohl lägen die Defizite der derzeitigen Regelung auf der Hand: „Zum einen sind die 1.500 Euro viel zu wenig angesichts des Leids, das diese Menschen durchgemacht haben“, kritisiert Jelpke. „Zum anderen bleibt die Ungerechtigkeit bestehen, dass Antragsteller, die im Ghetto ‚zu jung‘ waren, weiterhin ausgeschlossen bleiben.“

So wurden 85 Anträge abgelehnt, weil die Betroffenen im Ghetto noch zu jung gewesen seien, um nach behördlicher Einschätzung „freiwillig“ gearbeitet zu haben. „Man kann nicht ernsthaft erwarten, dass die Betroffenen, denen praktisch ihre Kindheit verweigert wurde, dafür Verständnis haben“, so Jelpke.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.