Wohnungsmarkt in Hamburg: Umzugszwang treibt die Mieten

Ein Bündnis fordert, die Mietobergrenzen für Sozialhilfebezieher auszusetzen. Sie hätten bei der Wohnungssuche ohnehin keine Chance.

Hochhäuser vor grauem Himmel

Zwingt Hartz IV-Empfänger umzuziehen: Zu hohe Miete. Foto: dpa

HAMBURG taz | Die Empfänger von Grundsicherung, also von „Sozialhilfe“, sollen nicht mehr umziehen müssen, wenn ihre Miete zu hoch ist. Diese Haushalte hätten auf dem leer gefegten Wohnungsmarkt keine Chance, argumentiert das Bündnis für eine neue soziale Wohnungspolitik, dem der Verein Mieter helfen Mietern, die Diakonie, der Caritasverband und der alternative Bauträger Stattbau angehören.

Der Zwang zur Wohnungssuche sei kontraproduktiv: Er verschärfe den Kampf um die günstigen Wohnungen, treibe die Preise hoch und reiße die Menschen aus ihrem sozialen Umfeld.

Das Bündnis schlägt ein fünfjähriges Moratorium vor. Währenddessen solle die Sozialbehörde ihren Richtwert für die „Kosten der Unterkunft“ ignorieren und Hilfeempfängern die Bruttokaltmieten auch dann komplett erstatten, wenn diese über dem Richtwert liegen. „Die Richtlinie kennt bereits eine ganze Reihe von Ausnahmen, um auf schwierige Lebensumstände eingehen zu können“, sagt Senija Bekeris, sozialpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion.

Empfängern von Grundsicherung bezahlt der Staat einen festen Satz für den Lebensunterhalt und die tatsächlichen Kosten für Miete und Heizung. Dafür gibt es je nach Anzahl der Personen im Haushalt eine Obergrenze, die sich am geltenden Mietenspiegel orientiert. Zuletzt wurde diese am 19. Januar angepasst.

Aus Sicht des Bündnisses reicht diese Anpassung nicht: Die Mieten für neu angebotene Wohnungen seien viel stärker gestiegen als die Wohnungen der Bestandsmieter, die in den Mietenspiegel einfließen. Und der Anteil billiger Wohnungen mit Nettokaltmieten unter sechs Euro den Quadratmeter haben sich von 2011 bis 2015 halbiert.

Laut Gesetz muss der Staat Grundsicherungsempfängern die Kosten für Miete und Heizung erstatten.

Was dabei als angemessen gilt, legt der Senat auf Basis des Mietenspiegels fest.

Derzeit sind das: für eine Person bis zu 50 Quadratmeter und gerundet bis zu 464 Euro Miete, für zwei Personen 60 und 557, für drei 75 und 682, für vier 85 und 773 Euro, für fünf 97 und 987, für sechs 109 und 1.110 Euro.

Die Sozialbehörde zwinge arme Haushalte dazu, neue Wohnungen zu suchen, „wohl wissend, dass für diese Haushalte eine Suche nach noch billigerem Wohnraum in aller Regel erfolglos sein wird“, kritisiert Marc Meyer von Mieter helfen Mietern. „Dieser Nachfragedruck führt zu Mietpreissteigerungen gerade bei den dringend benötigten preisgünstigen Wohnungen.“ Und jeder Auszug ermögliche es Vermietern, die Miete sprunghaft zu erhöhen.

Bekeris wies darauf hin, dass 2016 nur rund 1.200 Haushalte aufgefordert wurden, ihre Mietkosten zu senken – weniger als ein Prozent der Hilfe-Bezieher. Ausnahmen seien möglich bei dauerhafter Erkrankung, nach sechsmonatiger vergeblicher Suche, drohender Obdachlosigkeit oder in Vierteln mit wenig Grundsicherungsempfängern.

Mareike Engels von den Grünen verwies auch auf die geltenden Ausnahmen, will sich aber die Vorschläge des Bündnisses gern ansehen. „Eine weitere Flexibilisierung können wir uns durchaus vorstellen“, sagte sie.

Alfred Neuhöfer vom Forschungsinstitut F+B, das den Hamburger Mietenspiegel erstellt, gab zu bedenken, dass eigentlich die Warmmieten betrachtet werden müssten. Denn die Kosten, die Vermieter bei energetischen Sanierungen auf die Mieter umlegen könnten, würden durch die Heizkosteneinsparung nicht kompensiert. „Das ist ein wohnungswirtschaftliches Dilemma, das zu Lasten der Hilfeempfänger geht“, sagte er.

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