Wissenschaftler über Zucht und Natur: Verwilderte Hauspferde

Das Hauspferd war eine der größten Innovationen in der Geschichte der Menschheit, erklärt Arne Ludwig. Auch Przewalski-Pferde sind das Ergebnis menschlicher Zucht.

Zwei Przewalski-Pferde, vom Licht des Sonnenaufgangs beleuchtet

Zwei Przewalski-Pferde grasen im warmen Schein der aufgehenden mongolischen Sonne Foto: reuters

taz: Herr Ludwig, müssen die Zoos ihre Przewalski-Pferde verkaufen? Schließlich werden sie dort als die letzten Wildpferde gezeigt …

Arne Ludwig: Ach nein, in Zoos gibt es auch seltene und bedrohte Haustierrassen, insofern können sie dort auch Przewalski-Pferde zeigen. Das sind zwar keine Wildpferde, sondern verwilderte Hauspferde – so wie Mustangs. Aber interessant sind sie trotzdem.

Was heißt „verwildern“ ­eigentlich, genetisch betrachtet?

Verwildern bedeutet, dass das Erbgut – etwa eines Pferdes – es dem Tier erlaubt, in der Wildnis zu überleben und eine neue, stabile Population aufzubauen. Die heutigen Przewalski-Pferde sind rund 2.000 Jahre lang von Menschen züchterisch bearbeitet, also genetisch auf bestimmte Eigenschaften selektiert worden. Bevorzugt wurden etwa große Tiere und bestimmte Fellfarben – etwa weiß mit schwarzen Punkten (sogenannte Tigerschecken), aber auch Pferde mit einer geringeren Fluchtdistanz, weil sie leichter zu halten waren. Diese Merkmale hatten Vorteile für den Menschen, aber für in Freiheit entkommende Pferde können diese Veränderungen wenig vorteilhaft sein. In den folgenden 3.000 Jahren in der Wildnis gingen die auffälligen Farben wieder verloren. Trotzdem haben die heutigen Przewalski-Pferde eben nicht mehr das Erbgut der ursprünglichen Wildpferde, die wohl kompakter gebaut und wesentlich robuster waren. Wahrscheinlich haben Przewalski-Pferde deshalb in der Mongolei heute Schwierigkeiten mit der Thermoregulation und überstehen harte Winter schlechter als ihre Vorfahren.

Worin besteht der Unterschied zwischen „wild“ und „verwildert“?

Wenn aus einem Wildtyp einmal bestimmte Allele – also Varianten eines Gens – herausgezüchtet wurden, dann sind diese verloren und kommen auch nicht wieder.

Wie haben Sie herausgefunden, das Przewalskis keine Wildpferde sind?

ist Evolutionsgenetiker und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin (IZW). Das IZW hat als eines von 28 Instituten an der Studie zur Domestikation des Pferds teilgenommen.

Wir haben die Genome von 88 Pferden untersucht – von heutigen Hauspferden und von Pferden, die vor etwa 5.500 Jahren im heutigen Kasachstan gelebt haben. Die Menschen der Botai-Kultur haben ihre Häuser zum Teil mit Pferdeknochen gebaut, darum sind viele Knochen erhalten. Wir haben sie bis zum Mark angebohrt und Proben entnommen. Daraus wurden kurze Gensequenzen gewonnen und Genome analysiert.

Mit welchem Ergebnis?

Die Chromosomensätze unterscheiden sich deutlich. Der letzte gemeinsame Vorfahre von Przewalski-Pferd und Hauspferd hat vor 150.000 bis 70.000 Jahren gelebt. Für die Evolution ist das keine riesig lange Zeit, aber doch schon messbar und im Genom nachweisbar.

Das heißt, die Menschen der Botai-Kultur haben das Przeswalski-Pferd züchterisch verändert, letztlich hat sich dann aber eine andere Kultur mit einem anderen Pferd durchgesetzt?

Genau. Offenbar gab es ein Wildpferd, das besser als Hauspferd geeignet war als die Ahnen der Przewalski-Pferde. Wir müssen in der Zeit um 1.000 vor Christus suchen, viel später als bisher angenommen. Schade eigentlich, denn da war die Menschheit schon weiter entwickelt, waren landwirtschaftliche Techniken in Europa und Asien bekannt. Die Domestikation des heutigen Hauspferds kann überall passiert sein, von China über Nordafrika bis Spanien. Die Ergebnisse interessieren Historiker und Archäologen brennend: Sie suchen den Vorläufer des Hauspferds schon lange. Das Hauspferd war eine der größten Innovationen in der Geschichte der Menschheit, es hat Militär, Nachrichtenübermittlung, Handel sowie Sprach- und Kulturvermittlung revolutioniert.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.