Wirtschaftswachstum in Griechenland: Wundersames Wachstum

Die griechische Wirtschaft scheint in den vergangenen Monaten stärker gewachsen zu sein als die deutsche. Doch das ist nur eine Illusion.

Ein Mann sitzt vor einem Laden der 60 Prozent Rabatt anbietet

In der Deflationsfalle: In Griechenland sinken die Preise immer weiter. Foto: reuters

BERLIN taz | Wie viel Geld wird Griechenland am Ende benötigen? Dies weiß im Augenblick niemand. Der Bundestag hat am Mittwoch zwar ein europäisches Kreditpaket von 86 Milliarden Euro abgesegnet – aber dies ist nur eine vorläufige Zahl. Finanzminister Schäuble hat bereits angedeutet, dass noch ein weiteres Programm nötig werden könnte.

Letztlich hängt der Finanzbedarf Griechenlands von einem einzigen Umstand ab: Wann wächst die griechische Wirtschaft endlich wieder? Solange die Wirtschaftsleistung schrumpft, werden sich ständig neue Defizite auftun – weil die Steuereinnahmen sinken und immer mehr Griechen ihre Kredite nicht bedienen können. Staat und Banken sind dann permanent vom Bankrott bedroht.

Doch Rettung scheint nah zu sein. Das Statistikamt in Athen meldete in der vergangenen Woche, dass die griechische Wirtschaft im zweiten Quartal real um 0,8 Prozent gewachsen sei, wenn man es mit dem ersten Quartal 2015 vergleicht. Das klingt sensationell – denn damit hätten die Griechen sogar das reiche Deutschland überrundet, das im zweiten Quartal nur auf ein Plus von 0,4 Prozent kam.

Das wundersame Wachstum in Griechenland wirkt besonders erstaunlich, weil die Zeit von April bis Juni extrem chaotisch war. Die linke Syriza-Regierung und die Eurogruppe hangelten sich von Gipfel zu Gipfel, ohne dass die Verhandlungen vorankamen – und ständig war von einem möglichen „Grexit“ die Rede. Niemand investierte mehr, stattdessen räumten die Griechen ihre Konten leer. In dieser turbulenten Zeit soll es zu Wachstum gekommen sein?

Wahrscheinlich handelt es sich nur um eine statistische Illusion. Bekanntlich dringt die Troika darauf, dass die Schattenwirtschaft in Griechenland zurückgedrängt wird. Restaurants und Geschäfte müssen jetzt ihre Einnahmen verbuchen und Kassenzettel ausgeben, Handwerker müssen Rechnungen schreiben. Diese Maßnahmen sind richtig, haben aber einen statistischen Effekt: Hotelumsätze, die früher schwarz kassiert wurden, tauchen jetzt in den offiziellen Zahlen auf. Die griechische Wirtschaft wächst nicht, sondern wird nur etwas besser erfasst.

Hinzu kommt ein weiteres Problem: Griechenland befindet sich in einer Deflationsfalle. Die Preise sinken rasant, wie sich in der Statistik zeigt. Fallende Preise sind jedoch tödlich für eine Wirtschaft, weil dann Investitionen kaum noch zu finanzieren sind. Die Höhe eines Kredits bleibt immer gleich – und diese fixierten Darlehen lassen sich nicht zurückzahlen, wenn gleichzeitig die Umsätze sinken. Also wird kein Unternehmer neue Schulden aufnehmen. Noch schlimmer: Wer auf alten Krediten sitzt, kann diese auch nicht mehr bedienen, wenn die Umsätze wegbrechen, weil die Preise fallen. Wenn eine Deflation länger anhält, sind alle Banken pleite.

Trotz der scheinbar guten Zahlen: Der Bundestag sollte sich darauf einstellen, dass er nicht zum letzten Mal über Kredite für Griechenland abgestimmt hat.

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