Winternotprogramm für Obdachlose: Streit um Rückkehr-Beratung

In St. Georg soll eine Unterkunft für das Winternotprogramm mit 160 Plätzen entstehen. Dazu gehört auch eine Anlaufstelle für wohnungslose Osteuropäer.

Hier schlafen ab November Obdachlose. Bild: Daniel Kummetz

Obdachlose können im kommenden Winter im Hochhaus der städtischen Sprinkenhof AG in St. Georg unterkommen. Das hat die Sozialbehörde entschieden. In den ersten drei Stockwerken des seit über 25 Jahren leer stehenden Hochhauses am Rande des Münzviertels sollen 160 Schlafplätze entstehen, ab dem 1. November sollen die ersten Obdachlosen dort schlafen. In dem Haus werden Zwei- bis Sechsbettzimmer eingerichtet.

Zusätzlich zu dem Haus in der Spaldingstraße 1 wird es 83 Plätze über die Stadt verteilt geben - zum Beispiel bei Kirchengemeinden. In der Sportallee und im ehemaligen Pflegezentrum "Holstenhof" in Jenfeld gibt es in diesem Jahr keine Schlafplätze, sie waren im vergangenen Jahr Bestandteil des Winternotprogramms. Auch der Bunker im Hauptbahnhof wird nicht wieder eröffnet. Sollte es Bedarf für mehr Plätze geben, soll in der Spaldingstraße aufgestockt werden.

Anwohner im Münzviertel empören sich darüber, dass sie nicht in die Planungen mit einbezogen wurden. "Es wurde über unsere Köpfe hinweg entschieden", sagt Günter Westphal von der Stadtteilinitiative Münzviertel auf einer Sitzung des Quartiersbeirats. Das werfe die Stadtteilarbeit über Jahre zurück. Er sagt aber auch: "Wir haben keine Probleme mit Obdachlosen im Viertel."

Der Leiter der Obdachlosen-Tagesstätte Herz As im Münzviertel Andreas Bischke befürchtet, dass sein Haus mit dem Ansturm der Obdachlosen überfordert ist und zur reinen "Wärmehalle" wird - die Beratung käme dann zu kurz. "Die Unterkunft ist zu groß, das können wir nicht auffangen", sagt er. Andere Angebote seien nicht fußläufig zu erreichen. Die Sozialbehörde setzt darauf, dass sich die Obdachlosen über den Tag über die Innenstadt verteilen und verspricht bei Problemen im Viertel zu helfen - ein Plan B gebe es nicht, sagte Bettina Prott von der Sozialbehörde.

An der Unterkunft in der Spaldingstraße soll es ein besonderes Angebot für obdachlose EU-Bürger geben - eine eigene Anlaufstelle soll sich vor allem an Osteuropäer richten. "Sie sollen dort von Fachleuten beraten werden, ob sie nach Hause gehen können", sagt Prott. Man arbeite mit den entsprechenden Konsulaten zusammen.

Es soll auch geprüft werden, ob bei den Obdachlosen Ansprüche auf Sozialleistungen in Deutschland bestünden. Niemand werde zur Beratung gezwungen, verspricht Prott. "Es wird Obdachlose geben, die nicht gehen, das ist dann eben so." Man biete allen Erfrierungsschutz.

Das Angebot für die osteuropäischen Obdachlosen hatte Kritik ausgelöst. In einem Positionspapier, das auf der linken Plattform indymedia.org kursiert, heißt es, die Erfahrung von Beratungsstellen zeige, dass kaum ein Rückkehrer freiwillig gehe. Die Autoren befürchten, dass es bei der Beratung vor allem um das Brechen des Widerstandes von nicht Ausreisewilligen gehe.

Stephan Karrenbauer, Sozialarbeiter bei der Obdachlosenzeitung Hinz&Kunzt, glaubt, das Vorhaben in der Spaldingstraße gehe in die "richtige Richtung". Für eine Beratungsstelle gebe es Bedarf: "Es gibt viel Leute, die nicht mitbekommen haben, dass es mittlerweile ein Sozialsystem in ihren Heimatländern gibt." Außerdem wüssten viele nicht, dass sie in Deutschland Ansprüche erworben haben. "Viele denken, dass sie rechtlos sind."

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