Wie Benno Ohnesorg starb: Eine gezielte Exekution

Karl-Heinz Kurras erschoss Benno Ohnesorg aus kurzer Distanz. Neue Fotos und Recherchen legen nahe, dass Berliner Polizisten halfen, die Tat zu verschleiern.

Benno Ohnesorg wurde bei einer Demonstration erschossen - Archivbild vom 3. Juni 1967. Bild: ap

BERLIN taz | In einem der größten Polizeiskandale der Geschichte der Bundesrepublik gibt es neue Indizien. Demnach hat am Abend des 2. Juni 1967 der Polizist Karl Heinz Kurras gezielt, unbedrängt und aus nächster Nähe Benno Ohnesorg erschossen.

Kurras war in den beiden folgenden Prozessen freigesprochen worden. Der Schuss am 2. Juni und der Freispruch für Kurras hatten viele in der Studentenbewegung radikalisiert. Ein Foto zeigt Kurras am Tatort – dem Gericht lag dieses Foto 1967 nur ohne Kurras vor. Es erschüttert die Aussage von Einsatzleiter Helmut Starke, der bezeugt hatte, Kurras am Tatort nicht gesehen zu haben. Zweites Indiz: Ein acht Sekunden-Film eines SFB-Kameramanns am Tatort, kurz bevor der tödliche Schuss fiel.

Auf diesen Bildern ist im Schattenriss ein Mann zu sehen, der eine Pistole in der Hand hält. Dieser Mann ist aller Wahrscheinlichkeit nach Kurras. In einem aktuellen Vermerk der Staatsanwaltschaft Berlin heißt es laut Spiegel: "Die Konturen legen nahe, dass es sich um Kurras handelt". Offenbar haben neuere Bildanalysetechniken zu dieser Vermutung geführt. Die Sequenz zeigt somit, dass die Version, der Schuss habe sich im Handgemenge gelöst, ein Lüge war. Offenbar hat Kurras sich mit gezogener Waffe langsam dem Opfer genähert und abgedrückt.

Indiz Nummer drei sind mehrere Fotos, die eine plausible Rekonstruktion des Tathergangs möglich machen. Demnach standen, als Kurras schoss, Einsatzleiter Starke und der Kripo-Mann Paul Gerhardt Schulz direkt am Tatort. In dem Prozess gegen Kurras hatte Starke behauptet, erst am nächsten Tag von den tödlichen Schüssen erfahren zu haben. Offensichtlich haben Starke und andere Polizeibeamte den Schützen Kurras gezielt gedeckt. Sie wollten verhindern, dass publik wurde, was wirklich geschehen war: keine Affekthandlung, sondern eine gezielt ausgeführte Exekution.

Prozess eine Farce

Dass Kripo-Mann Schulz, auch Augenzeuge der Tat, in dem Prozess nicht als Zeuge aussagen musste, erhärtet den Verdacht, den schon damals viele hatten. Die Prozesse gegen Kurras, die beide mit Freispruch endeten, war eine Farce. Die Zeugen waren manipuliert, Beweisstücke, wie eine Tonbandaufzeichnung vom Tathergang, die die polizeioffizielle Version hätten erschüttern können, verschwanden einfach.

Ein neues Verfahren im Fall Ohnesorg wird es nicht geben. Viele Beteiligte sind tot, andere nicht vernehmungsfähig. Die neuen Indizien zeigen indes, dass eine Spur, die manche Rechtskonservative verfolgen, zu nichts führt. Demnach war Ohnesorg ein Opfer der Stasi und der Destabilisierungsbemühungen der DDR.

Rechtskonservative glauben an Fernsteuerung

Denn Kurras war, wie eine als sensationell empfundene Enthüllung 2009 zeigte, in den 1960er-Jahren IM gewesen. Das hatte Spekulationen befeuert, Kurras habe im Auftrag der Stasi geschossen, um damit den Protest zu radikalisieren. Das würde in jenes Bild passen, dass sich noch heute manche Rechtskonservative von der Studenten- und Anti-Springer-Bewegung der 1960er-Jahre machen: Demnach war sie vor allem ein Instrument von DDR und Stasi im Kampf gegen den freien Westen.

Doch für eine Fernsteuerung von Kurras gibt es bislang kein einziges auch noch so vages Anzeichen. Die neuen Indizien im Fall Ohnesorg zeigen vielmehr: Die Radikalisierung der Studentenbewegung durch einen gezielten Todesschuss und explizite Verschleierung der Tat besorgte die Westberliner Polizei ganz alleine.

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