Widerstand bei Hannover 96: „Das ist zu viel unkritische Dankbarkeit“

Vereinsboss Martin Kind will, dass im Profibereich Investoren das Sagen haben. Robin Krakau von der Interessenvertretung Pro Verein 1896 wirft dem Chef vor, Hannover 96 zu verramschen.

Will noch mehr: Martin Kind, Präsident des Fußball-Bundesligisten Hannover 96 Foto: dpa

taz: Herr Krakau, einige Fans von Hannover 96 planen wegen Klubboss Martin Kind einen Stimmungsboykott. Was prangern Sie und Pro Verein 1896 an?

Robin Krakau: Wir sehen uns als Interessenvertretung im eingetragenen Verein (e. V.) und nicht als Sprachrohr der Fanszene Hannovers. Wir können aber nachvollziehen, dass der Frust groß ist. Seit 1999 die Profi-Mannschaft aus dem Stammverein in eine Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) ausgegliedert worden ist, hat Kind wesentlich im Sinne der KGaA-Investoren gehandelt – und er selbst ist ja Hauptinvestor. Kind hat aus dem e. V., dessen Vorsitzender er ja auch ist, werthaltige Vermögensgegenstände zum Nachteil des Vereins günstig herausgelöst.

Mit Vermögensgegenständen meinen Sie die Markenrechte?

Zum Beispiel. Kind hat diese für spottbillige 2,7 Millionen D-Mark gekauft, heute sind sie 75 Millionen Euro wert – und natürlich in Investorenhand. Aktuell will er ohne Beachtung des Mitgliederwillens und demokratischer Abläufe im e. V. 51 Prozent der Stimmanteile an der Management-GmbH für nur 12.750 Euro an die KGaA-Investoren verkaufen.

Wo ist das Problem?

Die Management-GmbH ist die Bestimmungsgesellschaft über den Profifußball und gehört zu 100 Prozent dem Stammverein. Vereine wie Stuttgart oder Hertha bekommen schon für wenige Anteile ohne Stimmrecht sehr hohe Millionenbeträge. Bei 96 aber wird der werthaltigste Vermögensgegenstand verramscht!

Was wären die Anteile denn wert?

Ein von Aufsichtsratsmitglied Ralf Nestler vorgelegtes 20-seitiges Gutachten des ehemaligen DFL-Geschäftsführers für Finanzen und Lizensierung, Christian Müller, kommt auf einen zwei- bis dreistelligen Millionenwert. Das wurde aber nicht berücksichtigt.

Dafür hat Kind dem Verein umfangreiche Rechte zugesichert. Was passt Ihnen daran nicht?

Die zugesicherten Rechte sind eine Mogelpackung ohne Wert für den e. V. Es entstehen ungeheure Abhängigkeiten und Risiken. Der e. V. ist auf Darlehen und ungewisse Patronatserklärungen angewiesen, um derzeit ein Vereinsheim mit Fitnessstudio zu bauen. Alle Vermögensgegenstände des e. V., der komplette Profifußball, gehören mehrheitlich Kind. Und das alles, weil Kind den Verein 1997 vor der Insolvenz bewahrt hat? Uns ist das zu viel unkritische Dankbarkeit!

Wenn die DFL den Management-Verkauf bestätigt, hätten die Investoren auch formal das Sagen. Spielt 96 dann bald in der Champions League?

Der VfL Wolfsburg, wo ja VW bestimmt, wäre letztes Jahr fast abgestiegen. Und glauben Sie ernsthaft, dass Teams wie der HSV, Köln oder Stuttgart tatenlos zuschauen würden, falls 96 dank irgendwelcher Kind-Millionen vorbeizieht? Es wurde in letzter Zeit von den Verantwortlichen viel über das bisher sehr erfolgreiche und angeblich einmalige Hannover-Modell gesprochen, das jetzt abgeschafft werden soll.

Das Hannover-Modell sieht so aus, dass Kind bereits Vorsitzender des e. V. ist sowie Geschäftsführer der KGaA und Hauptinvestor der KGaA. Was ändert sich überhaupt, wenn er die Stimmrechte mehrteilig übernimmt?

Der e. V. würde seine letzte Verbindung zur KGaA und damit seinen Einfluss verlieren. Bisher konnte er die Geschäftsführung der KGaA bestellen – und damit die strategische Ausrichtung der Profigesellschaft.

Warum wurde Kind von den Mitgliedern dann nicht längst abgesägt?

Wir haben uns nie gegen Martin Kind als Vorsitzenden gewandt, lediglich gegen Teile seines Programms und gegen die Art, wie er dieses umsetzt. Entscheiden die Mitglieder des e. V., dass Investoren über den Profifußball bestimmen sollen, muss man das akzeptieren. So wie jetzt, also ohne Abstimmung, tun wir das nicht.

Eine einstweilige Verfügung gegen den Verkauf der Management-Anteile hat das Hannoveraner Landgericht abgewiesen. War es das also?

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, auch wenn das von Kind propagiert wird. Wir sehen Chancen, noch entgegenwirken zu können.

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