Wettskandal bei Fenerbahce Istanbul: Ausgesperrte Kanarienvögel

Fenerbahce Istanbul wird der Manipulation verdächtigt und darf nicht an der Champions League teilnehmen. Dem Club entgehen so etwa 25 Millionen Euro.

Verkündete unheilvolles für die Fenerbahce-Fans: TFF-Präsident Mehmet Ali Aydinlar. Bild: reuters

BERLIN taz | "Das ist die skandalöseste Entscheidung der türkischen Fußballgeschichte", twitterte Ahmet Cakar. Der meinungsfreudige Exschiedsrichter und heutige TV-Analyst wird wütend in die Tasten seines Mobiltelefons gehauen haben. Die TFF, der Fußball-Dachverband des Landes, hatte just entschieden, Meister Fenerbahce Istanbul ob dessen Verwicklungen in den landesweiten Manipulationsskandal aus der Champions League zurückzuziehen.

Die Uefa wiederum handelte ungewohnt schnell und ersetzte am Mittwoch "Fener" durch Vizemeister Trabzonspor - mit einem eher nüchtern und wunderbar ungelenk formulierten Pressetext: "Die Uefa-Notfallkommission, die aus dem Uefa-Präsidenten und vier Mitgliedern des Uefa-Exekutivkomitees besteht, hat nach der Entscheidung des türkischen Fußballverbands, Fenerbahçe wegen der Verwicklung des Klubs in den Wettmanipulationsskandal aus der Uefa Champions League 2011/12 auszuschließen, heute getagt und entschieden, Fenerbahçe durch Trabzonspor, Vizemeister der türkischen Liga der Saison 2010/11, zu ersetzen."

Es folgten - sicher noch ohne Schlusspunkt - wohl bekannte Bilder in der Metropole zwischen Europa und Asien. Feuer, Fackeln, Fahnen. Gut 250 wütende Fans versammelten sich noch am Mittwoch vor dem Sükrü-Saracoglu-Stadion im Stadtteil Kadiköy, wo die von den Fans sogenannten Kanarienvögel ihre Heimspiele austragen - diese Saison nur eben nicht in der Champions League.

Dimensionen der Manipulationen noch unklar

Wie unterschiedlich die Reaktionen doch sein können. "Danke, Uefa! Danke, Platini" oder auch: "Die Gerechtigkeit hat gesiegt", titelten Gazetten der Stadt am Schwarzen Meer, wo sich Trabzonspor im Meisterschaftsrennen der abgelaufenen Saison erst am letzten Spieltag geschlagen geben musste. Wie genau das aber zustande kam, wird noch immer von Verband und Justiz untersucht.

So verstieg sich die nordöstliche Presse sogar zu "Die Uefa hat die Wahrheit ausgesprochen: Trabzonspor ist der wahre Meister." Dabei wurden im Zuge der Ermittlungen zunächst auch Funktionäre aus Trabzon vernommen. TV-Experte und Spielerlegende Ridvan Dilmen bemerkt: "Was passiert denn, wenn auch Trabzonspor tiefer in den Manipulationsskandal verstrickt ist? Wird dann eine Sperre für das ganze Land verhängt?"

Rätselraten herrscht über die Beweggründe des überraschenden Schritts. Nur wenige Tage zuvor sah der Verband noch keine Handhabe für ein Eingreifen. Zu ungenau sei das von der Justiz vorgelegte Beweismaterial gewesen. Kritiker bemängeln die Vorgehensweise von TFF-Präsident Mehmet Ali Aydinlar, der nur auf Druck der Uefa gehandelt haben soll - eine europaweite Sperre von bis zu acht Jahren stand im Raum.

Weltverschwörung gewittert

So kam auch prompt das Lob aus der Schweiz: "Der türkische Fußballverband hat mit dieser Entscheidung gezeigt, dass er im Kampf gegen Korruption seiner vollen Verantwortung gerecht wird", sagte Generalsekretär Gianni Infantino.

Die Fans des im Fokus der Ermittlungen stehenden Klubs Fenerbahce indes solidarisieren sich immer intensiver mit ihrem Verein, sehen eine große Weltverschwörung. Ihr so heiß geliebter Klub befürchtet nun finanzielle Einbußen von 25 Millionen Euro und mehr - schwer zu verkraften, auch für den reichsten Verein der Türkei.

Selbst ein Zwangsabstieg wird von Experten nun wieder für möglich gehalten. Fenerbahce hat derweil auf seine Weise auf den Ausschluss reagiert: Der Werbevertrag mit dem größten Gesundheitsdienstleister des Landes wurde sofort gekündigt. Hauptanteilseigner des Kur- und Klinikkonzerns ist Verbandspräsident Aydinlar.

Auch ist Fenerbahce Istanbuls Vize-Präsident Nihat Özdemir zurückgetreten. "Ich bringe dem Verein keinen Nutzen mehr. Mit dem heutigen Tag schließe ich das Buch Fenerbahce und trete mit sofortiger Wirkung aus allen Ämtern zurück", sagte er am Donnerstag.

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