Weltspitze beginnt in der Kita: Mini-Athleten mit Schläger

Wer es an der Tischtennisplatte mit den Chinesen aufnehmen will, muss früh anfangen. Niedersachsens Tischtennisverband testet die Förderung im Kindergarten.

Früh übt sich: Niedersachsens Tischtennisverband will schon Kindergartenkinder für den Sport gewinnen Foto: Sophia Kembowski/dpa

HANNOVER taz | Plötzlich ist da dieser Hai. Von der Nasenspitze bis zur Schwanzflosse misst er gut einen Meter. Sein Maul ist weit aufgerissen, die Zähne blitzen. Doch die Eisbären, Löwen, Katzen und Igel, die juchzend umherwuseln, schreckt das nicht. Sie haben ja auch etwas in der Hand, einen kleinen Tischtennisschläger – und sie besitzen den unbedingten Willen, dem Hai ordentlich Futter zu geben.

In der Hannoveraner Kita geht es kurz nach dem Morgenkreis hoch her im Bewegungsraum. Voller Eifer feuern die Kinder dem Hai aus Pappmaché, der an einer Wand angebracht ist, Tischtennisbälle in den Schlund. Nina Tschimpke hilft den Vier- und Fünfjährigen bei der richtigen Schlägerhaltung, gibt Tipps, lächelt oft. „Da ist dann schon ordentlich Action. Manchmal ist es auch ein bisschen chaotisch, aber es macht viel Spaß“, sagt die 34-Jährige, die mit Oliver Stamler und Christiane Praedel das Mini-Athleten-Projekt entwickelt hat.

Natürlich gehe es grundsätzlich darum, bei den Kindern eine Verbesserung im allgemein-motorischen Bereich zu erzielen, sagt Tschimpke, die als Ergotherapeutin mit verhaltens­auffälligen Kindern arbeitet. Das Mini-Athleten-Projekt hat auch eine andere Dimension und verfolgt einen leistungssport-orientierten Ansatz.

Weltklassespieler fangen mit 5,8 Jahren an

Studien haben ergeben, dass Weltklassespieler durchschnittlich im Alter von 5,8 Jahren mit dem Sport angefangen haben. Aufgrund dieser Statistik hat die Stiftung Compass Konzepte für die Förderung junger Tischtennisspieler entwickelt. Vor allem das Kindergartenprojekt des Tischtennis-Verbandes Niedersachsen (TTVN), das Tschimpke als Landestrainerin betreut, wird viel beachtet.

„Wir müssen früher anfangen. Irgendwie sind wir zu spät dran. Und deshalb gehen wir in die Kindergärten“, sagt Tschimpke, die im Jahr 2000 mit dem TTFC Burgwedel den Aufstieg in die Bundesliga geschafft hat. Jeden Donnerstag besucht sie zusammen mit jemanden, der gerade ein Freiwilliges Soziales Jahr absolviert, eine Kindertagesstätte im Raum Hannover. Dann geht es vor allem um Auge-Hand-Koordination und die Vermittlung der richtigen Technik. An der Platte wird in den Kitas – bis auf eine Ausnahme – nicht gespielt, das findet bei Besuchen in den Sporthallen statt. Die Einheiten in den Bewegungsräumen der Kita dauern 45 Minuten. „Wir wollen dann Begeisterung schaffen“, sagt Tschimpke.

So sehr der Wunsch dahinter steht, es in Zukunft auf dem allerhöchsten Tischtennis-Niveau weiterhin mit den Chinesen – den besten der Welt in dem Sport – aufnehmen zu können, so weit sind die Übungen von jenen Trainingsmethoden entfernt, die in China oft eingesetzt werden. Statt Drill und Disziplin geht es in den Hannoveraner Kindertagesstätten um Spiel und Spaß.

150 Tischtennisbälle springen durch den Raum

„Wir bauen zunächst einen Bewegungsparcours auf, es geht viel um visuelle Wahrnehmungen“, sagt Tschimpke. Sie legt Wert darauf, dass Übungen in „Geschichten eingepackt“ werden, wie sie es formuliert. „Dann geht es zum Beispiel darum, dass ganz viele Fische aus dem Aquarium ausgebüxt sind. In jenem Moment springen 150 Tischtennisbälle durch den Raum. Es gilt dann, diese Fische zurück ins Aquarium zu tippen. Oder die Bälle sind Quallen, die im Wasser schweben. Dies wird simuliert, indem die Kinder mit dem Schläger den Ball hochhalten.“

Das Mini-Athleten-Projekt hat über Deutschland hinaus Beachtung gefunden. In Schweden, das so große Spieler wie Jan-Ove Waldner und Jörgen Persson hervorgebracht hat, zeigte sich der nationale Verband sehr interessiert. Die Hannoveranerin wurde nach Stockholm eingeladen, um dort an einer Grundschule in einer Übungsstunde mit Erstklässlern ihr Projekt vorzustellen. Im kommenden Jahr steht ein weiteres Treffen mit den Schweden an. „Das wird für uns interessant werden, welche Erfahrungen sie dort gemacht haben“, Tschimpke.

Möglicherweise hängt ja auch in einer Stockholmer Kita im Bewegungsraum ein Hai an der Wand, der ab und an mit Tischtennisbällen gefüttert wird.

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