Welt-Konjunkturaufschwung erwartet: OECD blinkt links, bleibt aber auf Kurs

Der Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit: Die Organisation kritisiert Ungleichheiten, unterstützt aber Frankreichs neoliberale Reformen.

Emmanuel Macron am Rednerpult

Mehr Wachstum mit ihm? Auf Kosten der Angestellten will Macron das Arbeitsgesetz weiter reformieren Foto: dpa

BERLIN taz | Die Nummer eins der Eurozone hebt sich laut neusten Prognosen weiter von der Konkurrenz ab. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD attestiert Deutschland mit einem jährlichen Wachstum von zwei Prozent „glänzende Konjunkturperspektiven“.

Für Frankreich, die zweitstärkste Wirtschaftsnation, rechnet die OECD 2017 mit einem Wachstum von 1,3 Prozent. Die Organisation hob ihre weltweite Konjunkturprognose für dieses Jahr im Vergleich zum März um 0,2 Punkte auf 3,5 Prozent an.

Die konjunkturelle Belebung reiche aber noch nicht, um eine spürbare Verbesserung der Lebensverhältnisse in allen OECD-Ländern zu gewährleisten, sagte OECD-Generalsekretär Gurría am heutigen Ministertreffen. Im Vorfeld sprach sich Gurría denn auch für Umverteilung statt Leistungsanreize aus: „Das Steuersystem und das System der Sozialabgaben bringen nicht mehr die gleichen Korrekturen hervor wie früher“.

In ihrem neusten Bericht empfiehlt die OECD Frankreich nun allerdings das Gegenteil: Langfristige Steuersenkungen für Firmen und Kürzungen der Staatsausgaben. „Frankreich leidet unter sehr hohen Steuern, einem zu rigiden Arbeitsmarkt und an gemessen an der Produktivität zu hohen Lohnkosten“, sagt Clemens Fuest, Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung, der taz. Deshalb sei das Wachstum niedriger als in Deutschland.

Die Zwänge des internationalen Wettbewerbs

Die geforderte Umverteilung der OECD und die empfohlenen Reformen stünden klar in Widerspruch zueinander, sagt dagegen der Ökonom Henri Sterdyniak vom französischen Wirtschaftsobservatorium OFCE, der taz. „Die OECD hat zwei Etagen; eine spricht sich für mehr soziale Gleichheit aus, die andere empfiehlt liberale Reformen in den verschiedenen Ländern.“

Dies sei laut Sterdyniak auf die Funktionsweise des Kapitalismus zurückzuführen: „Jedes Land muss wettbewerbsfähiger werden, alle gemeinsam sollten aber das Gegenteil tun, um Katastrophen zu vermeiden.“ So würde Deutschland freiwillig keinen Teil des Kuchens abgeben und weiterhin fleißig exportieren.

Auf die hohen Exportüberschüssen dürfe sich Deutschland laut OECD Experten nicht ausruhen, denn dies habe mit dem für die deutsche Ausfuhrwirtschaft günstigen Wechselkurs des Euro zu tun. „Die hohe Abhängigkeit von Exporten ist ein gefährlicher Schwachpunkt der deutschen Wirtschaft“, sagt Marcel Fratzscher, Präsident des Deutsches Instituts für Wirtschaftsforschung.

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