Welle von Erkältungen in Berlin: Wir sind krank

Gefühlt leeren sich Kitas, Schulen und Büros krankheitsbedingt gewaltig. Und wer ist schuld? Wie immer das Wetter.

Ein Mann niest.

Schnief, schneuf und Hatschi: Fiese Erkältungen sind gerade sehr angesagt Foto: ap

Die Textnachricht der Kaffee-Verabredung ist kurz und ziemlich verzweifelt: „Hilfe, hänge beim Arzt fest. Total voll hier.“ Die Freundin schlägt noch lakonisch vor, man könne den Kaffee vielleicht auch einfach im Wartezimmer trinken, das sei ja offenbar für halb Berlin ohnehin der Place to be im Dezember.

Tatsächlich unterschreibt die Kollegin von schräg hinten links ihre Mails vom heimatlichen Bett aus schon seit Anfang der Woche mit einem lautmalerischen „Schnief“ vor dem Vornamen.

Der Kollege gegenüber hetzt zwischen der seit Tagen fiebrig vor sich hin delirierenden Tochter und dem Schreibtisch hin und her. Und wenn er nicht da ist, sitzt da der Praktikant und putzt sich die Nase.

Trügt der Eindruck oder tanzen die Erkältungsviren tatsächlich gerade auf den Großraumbüro-Schreibtischen Polka? Oder wer, verdammt noch mal, ist verantwortlich für die Nachtschicht, die die Autorin dieser Zeilen heute Abend einlegen wird, weil sie leider ihre Mails noch nicht mit einem dezenten „hust“ unterschreiben kann – und also noch einen Text mehr schreibt, als sie eigentlich geplant hatte, bevor sie heute Morgen in die gähnend leere Konferenz gestolpert ist?

Zum Glück ist die Pressestelle des Robert-Koch-Instituts (RKI), wo wöchentlich die von den Haus- und Kinderarztpraxen gemeldeten „akuten Atemwegserkrankungen“ registriert werden, noch bei bester Gesundheit und voll besetzt. Zwar meldet die „Arbeitsgemeinschaft Influenza“ derzeit tatsächlich „leicht ansteigende Zahlen“. Knapp 6,5 Prozent Neuerkrankungen hat das RKI in der Vorwoche registriert. „Das ist aber völlig normal für die Jahreszeit“, sagt die Sprecherin tröstend. Allerdings sei es vermutlich hilfreich, wenn sich die Temperaturen draußen mal entscheiden würden zwischen Frühling im Dezember und Glühweinwetter: „Man vermutet, dass wechselhaftes Wetter Erkältungsviren besonders begünstigen.“

Bei den Kindern steigt die „Fieberkurve“ tatsächlich schon. Bei den 5- bis 14-Jährigen sei der Krankenstand in der Vorwoche „deutlich“ um 3 Prozentpunkte auf rund 11 Prozent gestiegen. Bei den ganz Kleinen, den 0 bis 4-Jährigen, sind derzeit rund 15 Prozent zu Hause und stecken große Geschwister, die Eltern und den Babysitter an. Das zumindest lässt ein Blick auf die RKI-„Fieberkurve“ der letzten Jahre vermuten: Erst sind die Kinder krank, in den ersten Wochen des neuen Jahres streckt es die Erwachsenen darnieder.

Tatsächlich wird an dieser Stelle ausdrücklich davor gewarnt, eine Kinderarztpraxis aufzusuchen, wenn es sich nicht irgendwie vermeiden lässt. „Wir schieben Impfkinder im Moment ganz nach hinten“, sagt die Sprechstundenhilfe meiner Kinderärztin mit derangierter Frisur und leicht gehetztem Blick. Also einfach morgen noch mal wiederkommen? „Nee, is Quatsch, is hier jeden Tag so.“

Eine lange Ewigkeit und drei Stunden später: Inzwischen hat das Kind freundlich seine Trinkflasche mit der Rotznase neben ihm geteilt und sämtliche Bauklötze, wie alle atemwegsinfizierten Kinder vor ihm, ausgiebig belutscht. Die Ärztin sagt, sie wünscht mal lieber noch nicht frohe Weihnachten: „Fieberzäpfchen haben Sie noch genug zu Hause? Ansonsten sieht man sich ja auch bestimmt noch mal.“

So wenig winterlich war es Mitte Dezember in Berlin und Brandenburg schon lange nicht mehr. Es sei ungewöhnlich mild für die Jahreszeit, mit 10 bis maximal 13 Grad am Donnerstag, sagte ein Meteorologe des Deutschen Wetterdienstes (DWD) der Deutschen Presse-Agentur. "So bleibt es auch die nächsten Tage." Auch nachts gebe es keinen Frost. Nach leichteren Niederschlägen bis zum Wochenende soll es Samstag und Sonntag trocken bleiben. Von einem neuen Temperaturrekord sieht der Meteorologe die Region aber "noch ein Stückchen entfernt": Für Dezember liege dieser um die 15-Grad-Marke. Erreicht worden seien solche Werte etwa 2006, 1979 und 1977. (dpa)

Die Inkubationszeit für Rhinoviren – sie sind laut der Influenza-AG für mindestens ein Drittel aller Erkältungskrankheiten verantwortlich – beträgt ein bis vier Tage. Morgen wird an dieser Stelle ganz sicher jemand anderes schreiben. Was das alles bedeutet? Bleiben Sie gesund!

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