Warteschlangen vor Hamburger Kundenzentren: Ausweis nur mit Wartezeit

Die Stadt hat in den Bürgerämtern zwar neue Stellen besetzt, Termine gibt es trotzdem keine.

Lange Schlange vor einem Berliner Bezirksamt: In Hamburg kriegt man monatelang gar keinen Termin Foto: Gregor Fischer/dpa

HAMBURG taz | Hinter den Theken sind die MitarbeiterInnen überlastet, der Krankenstand ist hoch. Vor den Theken beschweren sich die BürgerInnen über lange Wartezeiten und Verzögerungen ihrer Termine. Wer einen neuen Personalausweis, Pass oder andere offizielle Dokumente braucht, muss früher oder später zum Bezirksamt. Und dann wird gewartet.

„Die Terminlage ist nach wie vor sehr angespannt“, sagt Rudolf Klüver, Landesvorsitzender des Deutschen Beamtenbundes (DBB) – einer Interessenvertretung für Beamte. Dabei hatte die Stadt schon 2014 die Onlineterminvergabe eingeführt, um für kürzere Wartezeiten und schnellere Bearbeitung zu sorgen. Aber auch damit bekommt man heute frühstens einen Termin in zwei Monaten bei einem Bezirksamt. In vielen Kundenzentren sind bereits alle Termine belegt.

Klüver kritisiert, das Onlinemanagement sei nicht hinreichend koordiniert. Statt zu kürzeren Wartezeiten, führe es zu zusätzlicher Belastung der ohnehin überforderten MitarbeiterInnen.

Eine ehemalige Bezirksamtsmitarbeiterin berichtete der taz, dass die Behörde alle potenziell möglichen Termine per Onlineportal vergibt. „Trotzdem kommt immer Spontankundschaft“, sagt die Ex-Mitarbeiterin, die anonym bleiben möchte. „Auf beiden Seiten der Theke wurden die Menschen außer Acht gelassen.“

Das Problem liege ausschließlich im Personalmangel, sagt Klüver. Seit biometrische Daten, wie Fingerabdrücke, erhoben würden, habe sich die Bearbeitungszeit von Personalausweisen verdoppelt. „Bei der Umstellung ist die Berechnung des höheren Personalbedarfs nicht mit eingeflossen.“

Nachdem Anfang dieses Jahres rund ein Viertel der Stellen in Kundenzentren unbesetzt blieben, konnte das verfügbare Personal den Arbeitsaufwand nicht mehr bewältigen. Die Leiter der Bezirksämter haben sich damals bei Klüver gemeldet, um medienwirksam auf die Probleme hinzuweisen.

„Die Bezirksämter sind sehenden Auges ins Verderben gelaufen“, sagt Klüver. Um Kosten zu sparen, hätten die Ämter frei gewordene Stellen teilweise ein halbes Jahr unbesetzt gelassen. „Im Sommer kam der große Aufschrei“, sagt er. Der DBB forderte den Senat auf, vakante Stellen umgehend zu besetzen. Jetzt sei das Personal da – und müsse ausgebildet werden. Dadurch verzögerten sich die Bearbeitungszeiten in den Kundenzentren wiederum. „Im Frühjahr 2017 können sie wieder Luft holen“, sagt Klüver.

Rudolf Klüver, Landesvorsitzender des Deutschen Beamtenbundes

„Im Sommer kam

der große Aufschrei“

John Siegel, Professor für Wirtschafts- und Verwaltungswissenschaften, rät zur analytischen Untersuchung der Prozesse: „Die Bearbeitungszeit einzelner Dienste muss kalkuliert werden, um den jeweiligen Personalbedarf zu ermitteln.“ Dadurch könne bei kurzfristigem Mangel Personal aus anderen Bereichen eingesetzt werden. Die Finanzbehörde müsse sich mit den Personal- und Bezirksämtern zusammentun und die Gewerkschaften mit einbeziehen, um den Mangel nachhaltig zu bekämpfen.

„Die Bedürfnisse der MitarbeiterInnen gehen oft unter, wenn ein Problem aus der Managementperspektive betrachtet wird“, sagt er. Weiterhin müsse der IT-Einsatz ausgebaut werden. Die papierlose Verwaltung komme nur schleppend voran.

An potenziellem Nachwuchs mangelt es nicht – an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften sei jeder Studienplatz im Fach Public Management überbucht: „Jedes Jahr bewerben sich über 1.000 NachwuchsbeamtInnen bei uns“, sagt Siegel.

Neben dem hohen Arbeitsdruck hält DBB-Sprecher Klüver die geringe Bezahlung der BeamtInnen für problematisch. Die Bezirksämter seien auf einem guten Weg. „Aber es braucht nun 100 Prozent Personalausstattung, um die angespannte Lage bis 2017 zu entschärfen.“

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