Wahlkampf: Totenstille bei der Linkspartei

Die Linke watscht ihre langjährige Fraktionschefin Dora Heyenn ab. Regierungsbeteiligungen schließt sie auch für die kommende Wahlperiode aus.

Bemühte sich vergeblich um Zustimmung zu einer Regierungsbeteiligung: Dora Heyenn (M.). Bild: dpa

HAMBURG taz | Sogar bei der sonst so debattierfreudigen Hamburger Linkspartei kann sekundenlang Totenstille herrschen. Miserable 55,4 Prozent – 68 von 113 Stimmen – erreichte Dora Heyenn, Fraktionsvorsitzende in der Bürgerschaft, bei ihrer erneuten Spitzenkandidatur auf dem Landesparteitag der Linken am Sonntag. Mit starrer Miene Gesicht bat Heyenn, die vor vier Jahren noch 82,5 Prozent bekommen hatte, um eine Auszeit: „Ich muss darüber nachdenken, ob ich diese Wahl annehme.“

Nach viertelstündiger Beratung mit Vertrauten akzeptierte sie das Ergebnis: „Ich bin überzeugt worden, mich meiner Verantwortung für diese Partei zu stellen.“ Aufatmen im Saal, denn ohne die Lehrerin Heyenn, die schon 2008 und 2011 die Linke als Spitzenkandidatin in die Bürgerschaft geführt und sich dort als Fraktionsvorsitzende parteiübergreifend hohen Respekt erarbeitet hat, wären die Erfolgsaussichten erheblich gesunken.

Rational sei das nicht zu erklären, erläuterten mehrere Delegierte auf den Fluren das Wahlresultat. Ohne Heyenn sei die Wahrscheinlichkeit groß, an der Fünf-Prozent-Hürde zu scheitern – und in der Konsequenz der SPD in einem Vier-Fraktionen-Parlament die absolute Mehrheit zu sichern. „Das kann nicht unser strategisches Ziel sein“, spottet ein Linken-Promi.

Heyenn aber, die bis 1999 SPD-Mitglied war, gelte manchen als sozialdemokratische Reala; anderen sei suspekt, dass sie auch mit dem linken Parteiflügel gut klarkomme. Eine dritte Gruppe findet die pragmatische Fraktionsvorsitzende schlicht autoritär. In der Tat gibt Heyenn sich nicht zu diplomatisch: „Wenn ich niemandem auf die Füße trete, mache ich was falsch.“

... entstand im Juni 2006 durch die Fusion der Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG) mit der Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS).

Der Landesverband Hamburg hat rund 1.300 Mitglieder.

Der Vorstand wurde 2012 von vier auf zwei SprecherInnen verkleinert. Aktuell sind das die Ex-Europaabgeordnete Sabine Wils und, am Freitagabend frisch gewählt, Rainer Bennecke.

Als Fraktion ist die Linke seit 2008 in der Bürgerschaft vertreten. Bei der Wahl am 20. Februar 2011 zog sie mit 6,4 Prozent und acht Abgeordneten zum zweiten Mal ins Rathaus sowie in alle sieben Bezirksversammlungen ein.

Auch dieses Mal hatte Heyenn in ihrer Bewerbungsrede ganz offen vor „der Spaltung unserer Partei“ gewarnt, die sich wenig später in ihrem Ergebnis niederschlug. Und taktisch vielleicht unklug kündigte die 65-Jährige an, zum letzten Mal zu kandidieren. „Und ich kann mir auch nicht vorstellen, die gesamte Legislaturperiode Fraktionsvorsitzende zu bleiben“, stellte sie klar. „Da würde ich gerne zur Halbzeit den Generationswechsel einleiten.“ Die Rente mit 67 als linker Weg in den Ruhestand findet auch nicht jeder in der Partei gut.

Ihre potenzielle Nachfolgerin holte dann aber mit einem sehr guten Ergebnis Platz 3. Die 2008 im Streit aus der SPD ausgetretene Ex-Abgeordnete Sabine Boeddinghaus erhielt bei ihrer ersten Kandidatur für Die Linke aufmunternde 76,3 Prozent. Dazu kommen die Bürgerschaftsabgeordneten Norbert Hackbusch auf Platz 2 und Mehmet Yildiz auf Platz 4. Im Kampf zweier Abgeordneter um Platz 5 setzte sich Heike Sudmann mit 57 zu 35 klar gegen Kersten Artus durch. Die Bürgerschaft-Vizepräsidentin verzichtete auf weitere Kandidaturen und wird im Februar aus dem Parlament ausscheiden. Vor vier Jahren hatte die Linke mit 6,4 Prozent drei Direkt- und fünf Listenmandate errungen.

Mit großer Mehrheit hat Die Linke beschlossen, in der nächsten Legislaturperiode in der Opposition bleiben zu wollen. Die Linke stehe weder für „eine Koalition noch für eine Tolerierung zur Verfügung“, so der Beschluss. Heyenn hatte ursprünglich eine mittelfristige Öffnung für Regierungsbeteiligungen beantragen wollen.

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