Wahlkampf in Ungarn: Die Rache des Viktor Orbán

Vor zehntausenden Getreuen schürt Ungarns Regierungschef Angst und Hass. Das Hauptziel seiner Rede ist Einschüchterung.

Viktor Orbán bei seiner Rede am Donnerstag

Viktor Orbán bei seiner Rede am Donnerstag Foto: dpa

BUDAPEST taz | Diese Sätze haben es in sich. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán spricht an diesem Donnerstag anlässlich des ungarischen Nationalfeiertages zum Gedenken an den Unabhängigkeitskrieg gegen Österreich vor dem Parlament in Budapest.

Zehntausende Menschen haben sich eingefunden – eine Masse, die nur er im Land mobilisieren kann. Orbán versucht erst gar nicht alle Ungarn anzusprechen, er hält eine reine Wahlkampfsrede, um seiner verunsicherten Basis neue Kraft zu geben. Und dann spricht er doch kurz diejenigen an, die nicht da sind und seine Macht in seinen Augen gefährden.

„Wir sind sanfte und heitere Menschen. Aber blind sind wir nicht, uns kann man nicht für dumm verkaufen. Nach den Wahlen werden wir uns rächen, wir werden uns moralisch, politisch und juristisch rächen.“ Auch wenn Orbán es nicht direkt ausspricht, ist klar wer die Adressaten sind. Zum Beispiel kritische Medien und Nichtregierungsorganisationen.

Diese Offenheit ist neu, passt aber zum Setting. In drei Wochen, am 8. April, wählen die Ungarn ein neues Parlament und die Regierungspartei Fidesz hat überraschende Schwächen gezeigt. Sie verlor im Februar bei einer Nachwahl das Bürgermeisteramt im Kernland der Partei.

Mafiöse Struktur

Dazu kommt, dass das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung OLAF in einem Bericht detailliert beschrieben hat, wie eine mafiöse Struktur der Selbstbereicherung von Orbáns Schwiegersohn diente. Wegen Betruges müssten die ungarische Steuerzahler der EU 42 Millionen Euro zurückzahlen, schlägt OLAF vor.

Die angeschlagene Regierungspartei Fidesz griff zum altbewährten Mittel und trommelte einen „Friedensmarsch“ zusammen. So heißen die Massendemonstrationen, mit denen Orbáns Getreue Stärke gegen ihre Gegner zeigen.

Organisiert wurde der Marsch von einem Verein, aber diesmal halfen alle staatlichen Strukturen mit, die öffentlich-rechtlichen Medien warben offen für die Teilnahme. Sogar aus Polen wurden tausende PiS-Anhänger mit Bussen heran gekarrt. Ihre Anwesenheit ist logisch. Verliert Orbán, dann bleibt niemand in der EU, der Polen vor europäischen Verfahren schützen könnte.

Der sogenannte Friedensmarsch zeigt diesmal, wofür er eigentlich veranstaltet wird. Er dient einzig und allein der Einschüchterung. Es ist eine gereizte, brodelnde Menge. Die Aggressivität steigt in der ungarischen Politik, der Hass wächst auf beiden Seiten.

Entscheidender Kampf

Und Orbán denkt nicht daran, sein Volk zu besänftigen, er heizt die Stimmung an. In seiner Rede spricht er vom alles entscheidenden Kampf. Er versucht den Ungarn einzureden, dass sie in drei Wochen nicht einfach nur ein neues Parlament wählen, sondern für immer über die Zukunft entscheiden. Träfen sie eine falsche Wahl, dann höre Ungarn auf zu existieren, dann würde das Land von fremden Völkern übernommen.

Das Kalkül ist klar. Die Ungarn sind mehrheitlich gegen Migration. Glauben sie, dass die Wahlen für dieses Thema entscheidend sind, dann kann Orbán nochmal gewinnen.

Die Ungarn sind gleichzeitig genervt von der weit verbreiteten Korruption. Orbáns Schwiegersohn ist nicht der einzige aus der Familie, der gut an staatlichen Ausschreibungen verdient. Orbáns Vater beliefert aus seinem Steinbruch viele öffentlichen Projekte mit Material, der Bruder verschafft Freunden lukrative Möglichkeiten. Und Orbáns Frau ist inzwischen Großgrundbesitzerin mit Grundstücken westlich von Budapest.

Die Opposition hat also jede Menge Munition für die vielen Festreden am Donnerstag. Die zersplitterte Parteien versuchen aus den Skandalen Kapital zu schlagen, aber überzeugend ist keine von ihnen. Am Donnerstag können sie wieder weder Stärke noch Einigkeit zeigen.

Viele Schwiegersöhne

So bietet die Satirepartei Zweischwänziger Hund (MKKP) die einzige Chance Druck, um abzulassen. Sie veranstaltet ihren eigenen Friedensmarsch, die Menschen skandieren in der Budapester Innenstadt „Wir wollen Diktatur“, und wünschen Orbán, Vater von vier Töchtern, noch viele weitere Schwiegersöhne. Am Abend demonstrieren dann die Schüler gegen den „preußischen“ Umbau des ungarischen Bildungssystems.

An diesem Tag sind es keine Parteien, die Orbán etwas entgegensetzen können und wahrscheinlich bleibt das bis zu den Wahlen so. Die Regierungspartei hat binnen Stunden neue Werbefilme über den Aufmarsch erstellt. Darin wird behauptet, das Volk stünde geschlossen hinter Orbán.

Und wer nicht Fidesz wähle, der gehöre nicht mehr zur ungarischen Nation. Der totale politische Krieg ist da. Die Chance der chancenlosen Opposition ist, dass die Ungarn schon öfters von Kämpfen genug hatten.

Am 8. April wählen sie schon wieder zwischen Krieg und Frieden. Sie bevorzugen eigentlich letzteres. Und sie wissen jetzt, dass, lassen sie Orbán weitermachen, die bittere Abrechnung kommt. Sie sind gewarnt.

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