Wahlergebnisse in Berlin-Neukölln: Was ist das für 1 Bezirk?

In Neukölln zeigen die Ergebnisse die Spaltung zwischen Stadtrand und Mitte. Die SPD-Bürgermeisterin bleibt trotz Verlusten und könnte mit den Grünen kooperieren.

Auch das ist Neukölln: am südlichen Stadtrand im Stadtteil Rudow. Foto: DPA

Franziska Giffey bleibt im Amt. Die Bürgermeisterin von Berlins berühmtesten Bezirk Neukölln hatte den Posten im April 2015 in der Legislaturperiode von Berlins berühmtestem Bezirksbürgermeister übernommen. Während aber das Neuköllner Kellerkind Heinz Buschkowsky 2011 noch knapp 43 Prozent für die SPD einfuhr, muss sich die gebürtige Frankfurt/Oderin mit dem Doktortitel in Politikwissenschaften mit gut 12 Prozentpunkten weniger zufrieden geben. Kleiner Trost: Die SPD liegt damit in Neukölln immer noch 14 Prozentpunkte vor der zweitstärksten Partei im Bezirk, der CDU, die einen Verlust von vier Prozentpunkten gegenüber der letzten Bezirkswahl erlitt.

Die eigentlichen Gewinner in Berlins buntestem Bezirk sind damit die Linken, die Grünen – und die AfD. 7,5 Prozentpunkte legte die Linke zu und konnte ihr Ergebnis von 2011 mehr als verdoppeln: auf insgesamt 12,2 Prozent. Die Grünen gewannen 1,4 Prozentpunkte und stehen bei 14,9 Prozent. Die AfD bekam bei ihrem ersten Wahlantritt in Berlin gleich 12,7 Prozent der Neuköllner Bezirksstimmen.

Und bei den Wahlen zum Berliner Landesparlament gaben fast 14 Prozent der NeuköllnerInnen den neuen Rechten ihre Stimmen. In einigen Wahllokalen erreichten AfD-Kandidaten gar höchste Ergebnisse mit knapp 27 Prozent der Stimmen.

Damit hat Neukölln zwar „nur“ das dritthöchste AfD-Ergebnis unter den Westbezirken. In Spandau kamen die Rechten bei den Bezirkswahlen auf 16, bei den Landeswahlen auf 16,6 Prozent, in Reinickendorf auf 14,4 und 16,1. Und anders als in manchen Ostbezirken errang die Rechtspartei in Neukölln auch kein Direktmandat.

Alle Farben Neukölln

Doch die nach Ergebnissen der einzelnen Wahllokale gefärbte Karte zeigt in Neukölln eine Buntheit, die – außer Mitte – sonst kein Bezirk Berlins aufweist. Alle Farben Neukölln: Deren Verteilung zeigt auch eine deutliche Dreiteilung des einwohnerstärksten Bezirks.

Fast komplett grün leuchtet der Neuköllner Norden vom Hermannplatz etwa bis zum den Innenstadtbereich begrenzenden S-Bahnring. Dann folgen in der Mitte des sich vom Stadtzentrum bis zur südlichen Brandenburger Landesgrenze erstreckenden Bezirks SPD-rote Felder, die sich bis an die Grenzen der Neuköllner Süd-Stadtteile Buckow und Rudow ziehen. Dort wird es überwiegend schwarz. Von den vier blauen Punkten, die die Wahllokale markieren, in denen AfD-Kandidaten die meisten Stimmen bekamen, liegt keiner im Norden des Bezirks.

Die Spaltung ist nicht neu. Doch sie wird bunter: Im Norden des Bezirks haben neu zuziehende StudentInnen, Hipster, KünstlerInnen, Designer den Grünen in den vergangenen Jahren enormen Zulauf beschert. Die traditionell SPD wählenden alteingesessenen NeuköllnerInnen hatten sich schon vor den ersten Einwanderungswellen in den 60er bis 80er Jahren etwa von türkischen GastarbeiterInnen oder Geflüchteten aus Palästina in die Gebiete außerhalb des S-Bahnrings zurückgezogen.

Und der an Brandenburg grenzende dörfliche Süden des Bezirks, wo neben einigen Neubausünden der 70er Jahre das selbst erwirtschaftete Einfamilienhäuschen des fleißigen Handwerkers dominiert, ist und bleibt CDU-schwarz – mit radikaleren Einsprengseln, die bei früheren Wahlen braun gewesen, heute AfD-Blau sind.

Bernd Sczcepanski, noch Sozialstadtrat Neuköllns, demnächst BVV-Mitglied, bleibt trotz solcher Spaltungsindizien gelassen. Für manche Südneuköllner sei der Bezirksnorden eine „No-Go-Area“, sagt der Grüne, seit fast 35 Jahren in der Bezirkspolitik. Sie fürchteten den wachsenden Zuzug – auch von MigrantInnen – in den Südteil des Bezirks. Die Bezirksregierung, also BVV und Bezirksamt, haben sich bislang damit arrangiert – mit einer in letzter Zeit immer häufiger laut knirschenden Zählgemeinschaft zwischen SPD und CDU, um so Norden und Süden des Bezirks zu integrieren.

Doch die neuen Wahlergebnisse bieten die Chance auf neue Mehrheiten: Mit 19 SPD- und 9 Grünensitzen in der 55-köpfigen Bezirksverordnetenversammlung wäre auch eine rot-grüne Zählgemeinschaft möglich. Es könnte Schwung in den Bezirk bringen, wenn diese künftig die Integration des Südens übernimmt.

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