Wachstum von Ökoflächen stagniert: Biolandbau dümpelt vor sich hin

Der Boom beim biologischen Anbau ist vorbei – schlecht für die Umwelt. Denn konventioneller Anbau trägt die Hauptschuld am Artensterben.

Haferkörner werden von einem Arbeiter auf einem Anhänger verteilt

Der Bio-Anbau in Deutschland ist zum Teil sogar rückläufig Foto: imago/Frank Sorge

BERLIN taz | Obwohl die Deutschen vergangenes Jahr wieder mehr Biolebensmittel gekauft haben, stagnierte die Größe der Fläche für Ökolandbau. Äcker, Wiesen und Weiden mit Biozertifikat legten 2014 im Vergleich zum Vorjahr nur noch unmerklich um 0,6 Prozent zu – das ist so wenig wie noch nie. Das zeigen Zahlen aller Bundesländer, die der taz vorliegen. (siehe Anmerkung am Ende des Textes)

Sie belegen erstmals auch, dass die Biofläche bereits 2013 nur um 0,7 Prozent und nicht wie bislang wegen eines Statistikfehlers angenommen um 2,6 Prozent zugelegt hatte – mehrere Behörden haben ihre Angaben korrigiert. Insgesamt wurden 2014 rund 1 Million Hektar Land ökologisch bewirtschaftet, was 6 Prozent der Agrarfläche entspricht.

Wie niedrig die aktuellen Daten sind, zeigt sich im Vergleich zu den Wachstumsraten früherer Jahre: 1996 etwa hatte die Ökofläche laut Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung um 14 Prozent zugelegt, im Jahr 2000 sogar um 21 Prozent. Seitdem gibt es einen rückläufigen Trend.

Für die Umwelt sind das schlechte Nachrichten. Denn die konventionelle Landwirtschaft trägt Wissenschaftlern zufolge die Hauptschuld daran, dass Pflanzen- und Tierarten aussterben. Biobauern dagegen müssen auf Artenkiller wie chemisch-synthetische Pestizide und mineralische Stickstoffdünger verzichten. Ihren Tieren gewähren sie Auslauf und mehr Platz im Stall. Für die Verbraucher bedeutet eine stagnierende Biofläche in Deutschland, dass mehr Ökoware importiert wird, da der Markt für Biolebensmittel im Einzelhandel immer noch wächst – 2014 laut Branchenverband BÖLW um 4,8 Prozent.

„Auf der betriebswirtschaftlichen Seite haben sich für manche Betriebe die Erwartungen einfach nicht erfüllt“, sagte der Ökolandbauexperte des bundeseigenen Thünen-Agrarforschungsinstituts, Gerold Rahmann, der taz. Tatsächlich haben Ökobetriebe in den Wirtschaftsjahren 2012/2013 und 2013/2014 im Schnitt erstmals seit der Jahrtausendwende weniger verdient als die herkömmliche Konkurrenz. Grund waren die stark gestiegenen Preise für konventionelle Rohstoffe.

Gerold Rahmann, Experte

„Die Erwartungen haben sich nicht erfüllt“

„Weil die Biopreise nicht so schnell nachziehen, schmilzt der Abstand zu konventionellen Produkten, sodass die Bereitschaft sinkt, auf Ökolandbau umzustellen“, ergänzte Analyst Hans-Christoph Behr vom Marktforschungsunternehmen Ami. Zudem tragen Billigimporte etwa aus Osteuropa zu niedrigen Biopreisen bei.

Eine weitere Ursache für die schlechte Entwicklung der Ökofläche sind Rahmann zufolge die Biogasanlagen für die Stromerzeugung. Deren Betreiber würden dank der gesetzlichen Förderung der Erneuerbaren Energien über die Stromtarife so viel Geld verdienen, dass sie weit höhere Pachtpreise zahlen könnten als Ökobauern.

„Die Biogasanlagenbetreiber haben ja 20 Jahre 2.000 Euro pro Hektar garantiert“, rechnet der Wissenschaftler vor. Viele Ökolandwirte kämen mit den Subventionen speziell für ihre Art der Landwirtschaft nur auf 500 Euro – und lediglich mit einer fünfjährigen Garantie.

Gestiegen sind Pachtpreise auch, weil konventionelle Betriebe mit vielen Tieren Flächen benötigen, um die Gülle aus ihren Ställen zu verklappen. Tatsächlich zeigen Analysen des Thünen-Instituts, dass in vielen Landkreisen, in denen die Pachtpreise besonders stark gewachsen sind, der Bioanteil an der Agrarfläche besonders niedrig ist.

Große Verluste in Thüringen

Die prozentual größten Verluste gab es in Thüringen, wo die Biofläche um 9,4 Prozent (3.431 Hektar) zurückgegangen ist. Das Agrarministerium in Erfurt macht dafür vor allem einen Betrieb verantwortlich, der von bio auf konventionell umgestellt hat. Dabei rächt sich, dass die Betriebe in Thüringen so groß sind. Ähnlich könnte sich das Minus im zweitgrößten Verliererland Mecklenburg-Vorpommern erklären, wo die Fläche um 4,7 Prozent schrumpfte.

Einbußen musste auch Niedersachsen hinnehmen, dessen Landwirtschaftsministerium seit Februar 2013 vom Star der grünen Agrarpolitiker, Christian Meyer, geführt wird. Obwohl die Grünen so vehement wie keine andere Partei für mehr bio kämpfen, verbuchte Meyer ein Minus von 1,8 Prozent.

Der Minister teilte der taz mit, sein Land habe die Ökoförderprämien 2014 und 2015 erhöht. Aber der Anstieg der Pacht und Bodenpreise in den vergangenen drei Jahren in Niedersachsen zähle bundesweit zu den höchsten. Nun wolle Niedersachsen die Prämien weiter erhöhen und helfen, die Vermarktung von Ökoprodukten zu verbessern.

Anmerkung vom 07.08.2015: Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) hat die Angaben zur Öko-Fläche in dieser Woche nochmals korrigiert. Äcker, Wiesen und Weiden mit Biozertifikat legten demnach 2014 im Vergleich zum Vorjahr nur um 0,3 Prozent zu. 2013 stieg die Fläche um 1,0 Prozent.

Eine Sprecherin des Bundesagrarministeriums begründete die ursprünglichen Fehler damit, dass „unvollständige Daten von Bundesländern übermittelt worden“ seien. Auf Nachfrage erklärte die BLE zudem, dass diese dem Ministerium unterstellte Behörde aus Versehen eine Tabelle auf ihrer Internetseite falsch aktualisiert habe.

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