Vor dem Referendum in Italien: Ja, Nein, weiß nicht genau

Die Italiener stimmen am Sonntag über eine mögliche Verfassungsreform ab. Von Befürwortern und Gegnern werden Untergangszenarien gemalt.

Ein Mann zeigt mit dem Finger nach oben

Wirbt für sein Ja: Matteo Renzi Foto: dpa

ROM taz | Das Rennen ist offen. Wenigstens in diesem Punkt waren sich am Freitag auf ihren Schlusskundgebungen Regierungschef Matteo Renzi und sein wichtigster Herausforderer im Verfassungsreferendum, Beppe Grillo, völlig einig.

Am Sonntag stimmen die Italiener über die von Renzi vorangetriebene Verfassungsreform ab, die den Senat weitgehend entmachtet und die gesetzgeberischen Vollachten im Abgeordnetenhaus konzentriert. Seit Monaten sehen alle Meinungsumfragen die Nein-Front – neben Grillos Moviemento5Stelle (übersetzt: 5-Sterne-Bewegung), die Rechte der Forza Italia von Silvio Berlusconi, die Lega Nord, aber auch der linke Flügel von Renzis eigener Partito Democratico (PD) – klar vorn.

Seit zwei Wochen dürfen keine Meinungsumfragen mehr veröffentlicht werden. Die Daten, die dennoch durchsickern, prognostizieren weiterhin den Sieg des Nein. Im Gespräch mit der taz weist ein Meinungsforscher, der wegen des Veröffentlichungsverbots namentlich nicht zitiert werden möchte, jedoch auf ein Kuriosum hin. Je näher der Abstimmungstag rücke, desto größer werde die Zahl der Unentschlossenen – ein Phänomen, das ihm in Jahrzehnten noch nie wiederfahren sei.

Die von beiden Seiten mit schrillen Tönen geführte Referendumskampagne, in der das Renzi-Lager beim Sieg des Nein jahrzehntelangen Stillstand prophezeit und die Nein-Front wiederum bei einem Sieg des Ja ein fast schon in die Diktatur abdriftendes Italien an die Wand malt, ließ offenbar immer mehr Bürger ratlos zurück.

Eben auf diesen Trend setzt Renzi. Er sprach am Freitagabend vor mehreren tausend Anhängern in Florenz und versicherte, das Resultat sei offen, „hoffen wir, in der 90. Minute den Sieg zu holen!“ Dass er die Niederlage riskiert, hat der Premier sich allerdings auch selbst zuzuschreiben. Über Monate hinweg hatte er die Volksabstimmung als Votum auch über sein eigenes Schicksal verkauft: Sollten die Italiener gegen ihn stimmen, werde er sich aus der Politik zurückziehen.

Rücktritt nicht ausgemacht

Davon ist nun nicht mehr die Rede. Am Freitag erklärte Renzi, dass nicht über die Regierung, sondern über die Verfassung abgestimmt werde. Zugleich machte er jedoch klar, dass er einen Rücktritt als Regierungschef – nicht jedoch als Vorsitzender der PD – im Falle eines Siegs des Nein für unausweichlich hält.

Doch selbst dieser Rücktritt ist noch keineswegs ausgemacht. Einer von Renzis engsten Vertrauten, der Verkehrsminister Graziano Delrio, ließ am Freitag wissen, ein im Referendum geschlagener Renzi werde sich natürlich „zum Staatspräsidenten begeben, um sein Amt zur Verfügung zu stellen“. Staatspräsident Sergio Mattarella könnte Renzi dann aber auffordern, sich einer Vertrauensabstimmung im Parlament zu stellen – und bei einem positiven Votum weiterzuregieren.

Ausgerechnet Beppe Grillo wiederum nutzte seine Abschlusskundgebung am Freitag in Turin, um die Anhänger der „Fünf Sterne“ auf die Möglichkeit einer Niederlage vorzubereiten. So optimistisch am gleichen Tag Renzi auftrat, so pessimistisch gab sich Grillo. Er habe sich für Montag schon eine Packung Maalox (das ja bekanntlich gegen Magenkrämpfe hilft) bereitgelegt, „um die Wut zu bekämpfen“: „Wir müssen uns darauf vorbereiten zu verlieren, gegen die Welt zu verlieren, aber wenn wir verlieren, wird es auf jeden Fall eine ganz außerordentliche Niederlage gewesen sein“.

Schon abgestimmt haben dagegen die Auslandsitaliener, mit mehr als vier Millionen Stimmberechtigten ein womöglich ausschlaggebender Faktor. Unter ihnen erreichte die Wahlbeteiligung überraschend hohe 40% – für Renzi ein weiterer Hoffnungsschimmer, denn unter ihnen wird ein klares Ja erwartet.

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