Vor dem Brexit-Referendum: „Die EU ist wie Star Trek“

Brüssel ist weit: In Leicester, der Stadt des englischen Fußballmeisters, ist eine klare Haltung zur EU-Mitgliedschaft selten.

Kleinstädtisch wirkende Straßenszenerie

In der Innenstadt des Fußballmeister Leicester herrschen klare Konturen Foto: Daniel Zylbersztajn

LEICESTER taz | Nach dem Gewinn der Meisterschaft im Fußball steht die ganze Stadt steht derzeit in einer Euphorie ohnegleichen. Prägend für die kleine mittelenglische Stadt mit ihren 400.000 EinwohnerInnen ist ein buntes Vielvölker-Gemisch. Doch nicht alles glänzt in der Universitätsstadt im Schein von Fußball und Rugbys. Abseits vom Stadtzentrum stehen viele vor sich hin rottende Betonbauten oder verbretterte Läden neben alten Wohnungen voller neuer Zuwanderer aus aller Welt.

Im moderneren Stadtzentrum zwischen Schaufenstern, die mit dem Thema #Backingtheblue den Sieg des Fußballteams feiern, erklärt Fiona Bailey, 24, dass sie auf alle Fälle in der EU bleiben will: „Das Gerede von der kleinen Insel England finde ich abstoßend,“ sagt die Angestellte im Gesundheitsbereich. Ihre neben ihr stehende 64-jährige Mutter Angela, eine pensionierte Lehrerin, fügt an, „Großbritannien könne eh nicht alleine überleben, schon gar nicht ohne Einwanderer!“

Der auf Grund einer Krankheit invalide Ken, 49, und der Steuerberater Adam, 25, sitzen nicht weit entfernt auf einer Bank inmitten der Einkaufszone. Keiner der beiden will seinen Nachnamen nennen. Was die EU betrifft, findet Ken, dessen Eltern aus der Karibik kamen, der Planet sei für alle da. Deswegen hätte er mit der EU keine Probleme. Adam, bärtiger Brite pakistanischer Abstammung, gibt sich hingegen besorgt, und spricht ganz als gebürtiger Engländer. „Ich will raus, damit wir vorsichtiger bei der Immigration sein können“. Er plädiert für das Zusammenarbeiten des britischen Commonwealths.

Auch Robert Edwards, 43, und der Postarbeiter Bob Avjla, 56, finden, man müsste eigentlich raus aus der EU. Edwards meint, es sei einfach Zeit, sei sich auf die eigenen Leute zu konzentrieren. Avjla scheint dagegen die Slogans der Brexit-Befürworter gut studiert zu haben und zählt sie hintereinander auf: Ungewählte Bürokraten in Brüssel, zu weit gehende Menschenrechte, Immigranten, die Sozialhilfeempfänger sind und dem Land mehr entnehmen als geben.

Großbritannien gilt als ein bisschen seltsam

Der Lagerarbeiter Mark Duggan, 28, sonnt sich auf einer Straßenbank am anderen Ende der Passage. „Die EU, das ist wie Star Trek, mit der Föderation und den Unabhängigen“, beschreibt er die Lage. Großbritannien sei ein bisschen seltsam, nicht vergleichbar mit den Rest von Europa. „Wird sind die Snobs und die Andersartigen, und so ist nicht alles, was aus Europa kommt, gut für Großbritannien.“

An der Ampel auf dem Nachhauseweg von der Arbeit glaubt Tom Wayne, 21, im blauen schicken Anzug, dass er ein Geheimnis kenne, worüber die Medien hier nicht gerne berichten. „Ich arbeite in der Arbeitsvermittlung. Viele Leute werden von uns hier nach Spanien und Italien geschickt“. Einwanderung aufgrund von Arbeit sei eine Straße, die in beide Richtungen gehe, versichert er. Und was Leicester und seine Immigranten betreffe, sei es auch kein Problem. Er wohne in einem Wohnkomplex zusammen mit vielen Osteuropäern, und das sei überhaupt kein Ding.

Dem 90-jährigen Alfred Smith scheint alles gleichgültig. Der ehemalige Beamte glaubt, dass man „in der Politik kriegt, was man tolerieren will“. Und toleriert er es? „Gib allem noch mal sechs Monate. Wenn es dann nichts taugt, könnte Großbritannien immer noch entscheiden“!

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.