Vor Nato- und G8-Gipfel: Die Drei von Chicago

Vor dem Nato- und G8-Gipfel in Chicago hat die Polizei drei Männer verhaftet. Ihnen wird Terrorismus vorgeworfen, ihre Anwältin spricht von einer Angstkampagne.

Alles im Blick? Polizei in Chicago. Bild: reuters

WASHINGTON taz | Wegen „heimischem Terrorismus“ hat die Polizei in Chicago drei junge Männer verhaftet. Sie hätten, so die Staatsanwaltschaft in Chicago am Samstag, während der Nato-Tagung Überfälle auf Polizeiwachen, auf das örtliche Wahlkampfbüro von Barack Obama und auf das Haus von Bürgermeister Rahm Emanuel verüben wollen.

Eine Anwältin der Beschuldigten spricht hingegen von einer „Angstkampagne mit dem Ziel, Demonstranten davon abzuhalten auf die Straße zu gehen“. Nach einem Treffen mit den jungen Männern, bei dem sie an Händen und Füßen gefesselt waren, erklärte Anwältin Sarah Gelsomino am Samstag: „Sie stehen unter Schock und haben keine Ahnung, woher die Vorwürfe kommen.“

Anwalt Michael Deutsch sagte: „Dies ist Propaganda, um ein Angstklima zu schüren. Meine Klienten sind zu friedlichen Protesten gekommen." Die drei jungen Männer aus der Occupy-Bewegung waren schon vor Tagen aus Florida zu den Protesten gegen die G-8 und gegen die Nato nach Chicago gereist und haben sich dort an zahlreichen Demonstrationen beteiligt.

Mitte vergangener Woche wurden sie bei einer nächtlichen Razzia in einer Wohnung in Chicago festgenommen. Ihre Freunde versuchten stundenlang vergeblich, herauszufinden, wo sie waren und was ihnen vorgeworfen wurde. Vier Tage später hat die Polizei ihre Waffen präsentiert: Messer und Schlagringe sowie „mit Benzin gefüllte Bierflaschen“. Die schweren Vorwürfe gegen die drei lauten: „Besitz explosiver Geräte“, „Konspiration mit terroristischem Ziel“ und „materielle Unterstützung von Terrorismus“.

Viele Angaben auf Facebook

Staatsanwältin Anita Alvarez sagte bei einer Presskonferenz, Brian Church, einer der drei Beschuldigten, haben seine Mitbeschuldigten gefragt: „Habt ihr schon mal einen Cop brennen sehen?“ US-Medien nennen die drei jungen Männer bei vollem Namen und bezeichnen sie als „Anarchisten“. Sie berichten auch, dass ein in ihre Gruppe infiltrierter Polizeiagent sie seit längerem observiert habe.

Freilich haben die jungen Männer in den öffentlich zugänglichen Social Networks ihre Ansichten und Aktivitäten ausführlich öffentlich gemacht. Auf seiner Facebook-Seite dokumentiert Jared Chase seit Monaten seine Teilnahme an Occupy-Camps an verschiedenen Orten der USA und hat auch seine Reise nach Chicago angekündigt. Brent Betterly zeigt auf seiner Facebook-Seite Bilder von einem Sit-In vor einer Bank-of-America-Filiale im Stadtzentrum von Chicago, an dem er am 1. Mai teilgenommen hat – und verlinkt stolz auf Medien, die ihn namentlich zitieren.

Auf Webseiten der Anti-Nato-Protestbewegung hieß es am Samstag, die drei jungen Männer hätten den Zorn der Polizei auf sich gezogen, als sie wenige Tage vor ihrer Verhaftung eine Durchsuchung ihres Autos durch die Polizei – inklusive polizeilicher Drohungen – undercover gefilmt und online gestellt hätten. Der Polizeichef von Chicago, Garry McCarthy, wies jeden Verdacht von sich und bezeichnete die Verhaftungen als das Bemühen, eine „unmittelbare Bedrohung“ abzuwenden.

Vor dem Nato-Gipfel haben Chicagos Bürgermeister Emanuel und verschiedene Friedensgruppen zermürbende Diskussionen über Demonstrationen geführt. Emanuel, Ex-Mitarbeiter von Obama im Weißen Haus, lehnte mehrere Demonstrationsrouten und -Termine ab. Sein Polizeichef McCarthy hat im Vorfeld seine Taktiken für den Umgang mit Gegendemonstranten veröffentlicht. Unter anderem will er „Lärm-Kanonen“ einsetzen, um Menschen auseinander zu treiben. Und er hat seine Beamten beauftragt, „Gesetzesbrecher“ einzeln aus Demonstrationen herauszuholen.

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