Viel Glanz im Großen Gatsby: Die Bouquets sind in Position

Konfetti, Komparsen, Kostüme: Baz Luhrmanns bombastische Neuverfilmung von „The Great Gatsby“ eröffnet das Filmfestival Cannes.

Gruppenbild mit Regisseur: Baz Luhrmann und die Schauspieler seines Films „The Great Gatsby“. Bild: AP

Etwa in der Mitte von „The Great Gatsby“, Baz Luhrmanns Eröffnungsfilm, gibt es eine Szene, in der sich Daisy Buchanan (Carey Mulligan) und Jay Gatsby (Leonardo DiCaprio) zum ersten Mal nach fünf Jahren wiederbegegnen. Es handelt sich um eine Verbaredung zum Tee im Haus von Daisys Cousin Nick Carraway (Tobey Maguire).

Daisy weiß nicht, dass Gatsby, der Mann, in den sie sich einst verliebte, bevor er in den Wirren des Ersten Weltkriegs verschwand, sie dort erwartet. Sie heiratete seinerzeit einen anderen, den Abkömmling einer reichen, angesehenen Ostküsten-Familie, und nun ist Gatsby zurück, hat mit dubiosen Geschäften – es sind die Jahre der Prohibition - ein Vermögen gemacht und sich ein schlossartiges Anwesen auf Long Island errichten lassen, das direkt neben Nicks Haus liegt. Alles, wonach sich Gatsby verzehrt, ist Daisy.

Für das heimlich arrangierte Wiedersehen beim Nachmittagstee hat er so viele Blumenbouquets heranschaffen lassen, dass man meint, er wolle nicht Nicks bescheidenes Wohnzimmer, sondern zwei Tanzsäle ausstaffieren. Als endlich alle Blumen in Position gebracht sind und man vor lauter Blüten im Raum keine Luft mehr zum Atmen hat, fragt Gatsby Nick: „Glauben Sie, das ist zu viel?“ Nein, nein, beeilt sich der Gastgeber zu antworten.

Oh ja, viel zu viel

In F. Scott Fitzgeralds Roman aus dem Jahr 1925 wird die Frage nicht gestellt, deshalb – und weil sie recht prominent in der Mitte des Films platziert ist - neigt man dazu, sie als selbstreferenzielles Zwischenspiel zu begreifen. Indirekt wendet sich Luhrmann an sein Publikum und fragt: „Ist das hier zu viel?“ Anders als Nick, der diplomatisch bleibt, möchte man laut rufen: Oh ja, es ist zu viel! Viel zu viel! Zu viel Konfetti, zu viele Komparsen, zu viele glitzernde Kostüme, zu fette und zu anachronistische HipHop-Beats, zu viele Tanznummern, zu viele Fransenkleider, zu viel Blingbling.

Und vor allem: viel zu viele und viel zu aufdringliche 3D-Effekte, besonders am Anfang. Dabei besagt doch eine goldene 3D-Regel, dass Sehnerven und Gehirn eine Weile brauchen, um sich an die Dreidimensionalität zu gewöhnen. Regisseure sind also gut beraten, wenn sie 3D-Effekte zunächst zurückhaltend einsetzen, es sei denn, sie möchten den Wahrnehmungsapparat der Zuschauer überfordern.

Menschenmassen gesucht

Luhrmann aber geht in die Vollen, das berühmte grüne Licht, das im Roman leitmotivisch leuchtet, strahlt im Vorspann mit einem Halo, der auf halbem Wege zwischen Leinwand und meiner Sitzreihe zu hängen scheint. Weiter geht es mit einem Schneetreiben, das die Luft in der Salle Débussy zu füllen scheint, wenig später stürzt die Kamera von oben hinab in die New Yorker Straßenschluchten, hinein ins Getümmel der Passanten, und immer ragt im Vordergrund etwas ins Blickfeld, so dass die Dreidimensionalität betont, die Stabilität des Bildkaders jedoch sabotiert wird.

Das gilt besonders für die Partysequenzen mit ihren Menschenmassen. So viel Glitter wirbelt darin, dass man meint, er lande im eigenen Haar und auf den eigenen Schultern. Wer frühere Filme von Baz Luhrmann kennt, „William Shakespeare’s Romeo + Juliet“ zum Beispiel oder „Moulin Rouge!“, den wird dieser Wille zur bombastischen mise en scène nicht wundern.

Nach der Szene in Nicks Wohnzimmer beruhigt sich „The Great Gatsby ein wenig. Trotzdem wird man den Eindruck nicht los, dass sich Luhrmanns Film seiner Figur anverwandeln will, koste es, was es wolle. So wie Gatsby protzt und prunkt und seinen jungen Reichtum ausstellt, so tut dies der Film.

F. Scott Fitzgeralds Roman ist von einer tiefen Melancholie gezeichnet; sie erwächst unter anderem daraus, dass Gatsby nicht nur die anderen, sondern auch sich selbst in dem Maße täuscht, in dem er nicht imstande ist zu begreifen, dass die Zeit voranschreitet und die Vergangenheit sich nicht wiederherstellen lässt. Im Film scheint von dieser Melancholie nur dann etwas auf, wenn beim Zuschauen der Überdruss über all den Lärm in Traurigkeit umschlägt.

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