Video über Transsexuelle: „Was erregt Sie?“

Der Verein TGEU setzt sich für die Rechte Transsexueller ein. In einem aus der Ich-Perspektive erzählten Video wird der Betrachter einbezogen.

Der Betrachter des Videos wird als geisteskrank beschimpft. Screenshot: Transgender Europe

BERLIN taz | „Ihre Geisteskrankheit müssen Sie sich bescheinigen lassen, sagt der Mann am Schalter zu seinem Gegenüber. Der Blick des Beamten ist hart, fast herausfordernd. Das Gegenüber ist der Betrachter des Videos, das aus der Ich-Perspektive gedreht wurde. Damit alle, die es ansehen, sich in die Lage eines transsexuellen Menschen hineinversetzen können. Konkret in eine trans Frau, die als Mann wahrgenommen wird, aber ihre Papiere ändern möchte, um offiziell ihre eigentliche Identität leben zu können.

Mehr als 20.000 Menschen haben sich das Video von Transgender Europe (TGEU) bereits angesehen. Der Verein, der sich für die Rechte von Transsexuellen in Europa einsetzt, möchte darauf aufmerksam machen, dass trans Menschen in 34 Ländern Europas ihren rechtlichen Namen und ihr Geschlecht nicht ändern können, ohne erniedrigende Prozeduren über sich ergehen lassen zu müssen. TGEU fordert dazu auf, die entsprechenden Gesetz in Europa zu modifizieren.

Mehr als zwei Minuten begibt sich der Betrachter als trans Mensch in die Mühlen der Bürokratie, setzt sich Gesprächen mit zweifelhaften Psychologen aus, die fragen, ob er als Kind mit Puppen gespielt habe. Das Video zeigt nur kurze Sequenzen, springt mehrfach zwischen verschiedenen Situationen hin und her. Blicke von Herumstehenden durchbohren ihn, als er einen neuen Personalausweis beantragen möchte. Der Mann hinter der Glasscheibe guckt hoch, möchte den Blick eigentlich schon wieder abwenden und bleibt dann doch am Gesicht hängen. Denn man fällt auf. „Wir brauchen eine offizielle Bestätigung über Ihre Geisteskrankheit“, sagt er dann.

Also sitzt die Protagonistin bald einer Therapeutin gegenüber und wird zu sexuellen Erfahrungen befragt. Die Dame mit der flotten Kurzhaarfrisur blickt auf Papiere in einer Mappe und hat die Brille so weit die Nase heruntergerückt, dass sie einen oberhalb der Gläser streng ansehen kann. Der trans Mensch wirkt nervös, reibt seine Finger aneinander. Die Psychologin fragt, was ihn erregt. Man fragt sich, was sie das angeht.

Im nächsten Moment muss die Protagonistin erneut zum Amt. Sie hat die Bestätigung über ihre Geisteskrankheit mitgebracht, bekommt endlich den ersehnten Stempel. Doch schon wieder fehlt etwas: die Bestätigung des Familienstandes. Also muss sie zum Gericht, um sich scheiden zu lassen. Die Ex-Frau weint. Auch sie wird vor Gericht einer Demütigung ausgesetzt.

Ein Alptraum, der Wirklichkeit wird

Mit dem Scheidungsbescheid geht es wieder zum Amt, wohin sonst. Inzwischen ist die Protagonistin dort Stammgast. Der Mann am Schalter hat noch nicht genug und braucht nun den Beweis der Sterilisation. Sie ist nicht sterilisiert, aber soll operiert werden und ab zehn rückwärts zählen, bis die Narkose wirkt. Zehn, Scheidung, neun, Geisteskrankheit, acht, „Legen Sie sich bitte hin“, sieben, Sterilisation, sechs, fünf, vier, drei, zwei, eins. Das, suggeriert das Video, ist der Alptraum, den 34 Länder in Europa für trans Menschen Wirklichkeit werden lassen.

TGEU schreibt in einer Pressemitteilung, dass solche Prozeduren dazu führen, dass viele trans Menschen Geschlecht und Namen nicht rechtlich ändern lassen. Ihr Reisepass und andere Dokumente entsprechen dann oft nicht ihrer Identität und dem Erscheinungsbild, was beispielsweise beim Reisen, oder beim Mieten einer Wohnung zum Problem werden kann. 73 Prozent aller trans Menschen in der EU geben TGEU zufolge an, dass sie ein angenehmeres Leben führen könnten, wenn es eine bessere Gesetzgebung zur Personenstandsänderung geben würde.

Mehrere Länder haben 2014 Gesetzesänderungen durchgeführt oder angekündigt, darunter Dänemark und Malta. In Deutschland hat das Bundesverfassungsgericht das Transsexuellengesetz, das seit 1981 gilt, mehrfach als nicht menschenrechtskonform eingestuft. Mehr als fünfzig Organisationen und Vereine unterstützen zurzeit ein Forderungspapier zur Reform des Gesetzes.

„Trans Menschen haben das Recht, zu allen gesellschaftlichen Bereichen Zutritt zu haben, und wir haben ein Recht auf eine schnelle, transparente und leicht zugängliche Personenstandsänderung“, sagt die Geschäftsführerin von TGEU, Julia Ehrt. „Regierungen in ganz Europa verletzen fortwährend die Rechte von trans Menschen, indem sie an solch unmenschlichen Gewohnheiten festhalten. Ihnen wird ein Leben in Würde und Respekt verwehrt, solange ihre Dokumente nicht ihrer Geschlechtsidentität entsprechen.“ Die Protagonistin wird am Ende operiert. In der Hoffnung, dass dann alle akzeptieren, was selbstverständlich sein sollte.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.