Video der Woche: Der Mensch mag Zerstörung

Die Klickmoster dieser Woche: Eine kaputte Waschmaschine und ein Strudel in Lettland. Ein Erklärungsversuch für den Erfolg dieser Videos.

Die Waschmaschine wird sterben. Überrascht werden wir nur von der Gewalt, mit der sich das Objekt aufbäumt. Tabelle: youtube.com

Schmutziges Wasser, etwas Blubbern, Dreck verschwindet in einem Loch. Was ist an diesem Video aus Lettland so besonders? Das sehen Leute mit Badewanne jeden Tag. Fast acht Minuten lang einem Strudel zuzugucken, wie er Wasser einsaugt – die Begründung für die rund drei Millionen Aufrufe liegt in der Psyche des Menschen.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Die Waschmaschine ist Sinnbild der Sauberkeit, der Effizienz, der technologischen Überlegenheit. Sie ist der Nebenaltar des bürgerlichen Haushalts. Wichtiger ist nur der Fernseher, der das Chaos der Welt in aseptischen Häppchen in unsere aufgeräumten Wohnstuben bringt.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Den Fernseher aus dem Fenster zu werfen war einst nicht zufällig rite de passage jeder tourenden Rockband. Na gut, vielleicht doch zufällig. Die Röhrenbildschirme sind einfach sehr ästhetisch zersplittert. Jetzt aber ist es an der Zeit, die Waschmaschine zu vernichten. Millionen sollten es sehen – oder besser noch: tun.

Der Mensch mag Geheimnisse. Dinge, die sich auf den ersten Blick nicht erklären lassen, sind aufregend: Kornkreise, die Entstehung der Welt, Daniela Katzenberger. Wie kommt es zu so einem Sog? Was passiert mit dem ganzen Zeug, was er einsaugt? Und warum tauchen die Unmengen an Dreck und Eis nicht wieder auf?

Ruhe und Chaos

Der Mensch mag Zerstörung. Und hat gleichzeitig Angst vor ihr. Hin und her gerissen ist er zwischen dem Wunsch nach Ruhe und Sicherheit und dem Drang alles umzuwerfen und im Chaos des allgemeinen Zwangs sich zu erlösen. Selbstverständlich gibt es keinen guten, vernünftigen Grund, eine Waschmaschine zu ermorden.

Der Mensch mag Ordnung. Endlich macht hier einer mal Reine. Außerdem passt das Phänomen gut in die Osteuropa-Schublade im Kopf: Vampire in Transsilvanien, die Mafia in Russland und das Loch in Lettland. Alle saugen und lassen verschwinden. Das lässt sich wunderbar einreihen.

Ja, der Mensch mag geordnete Verhältnisse. Er will wissen, wo er steht und wo die anderen. Da, die Verrückten im Internet machen Sachen kaputt. Das sind Narren, die sich selber Schmerzen zufügen, gefährliche Stunts vollführen oder einfach nur Haushaltsmaschinen zerstören. Weil sie es tun, müssen wir das nicht auch noch erledigen, wir können aus sicherer Entfernung zuschauen. Die – das sind die anderen, die Vampire, die Mafia, die Osteuropäer, die Amerikaner. Wir sind vernünftig.

Zuletzt mag der Mensch Spannung. Youtube lehrt, dass sich Geheimnisse am Ende eines Videos oftmals auflösen. Deshalb bleibt der Zuschauer auch bei den 7:46 Minuten dran. Stark unbefriedigend hier, dass mitten in den Ereignissen, gerade während die große Eisscholle zerbricht, das Video endet.

Die Sicherheit

Der Mensch weiß gerne, wie die Sache ausgeht, am liebsten gleich von Beginn an. Das Ende ist klar: Die Waschmaschine wird sterben. Überrascht werden wir nur von der Gewalt, mit der sich das Objekt aufbäumt, grad so, als würde es kämpfen. Dabei ist doch gerade der brutale Kampf das, was die Machine am Ende zerstören muss. Die Revolution frisst gewissermaßen ihre eigenen Waschvollautomaten.

Und dann? Wie geht es weiter? Über drei Millionen Zuschauer durchlebten diesen emotionalen Moment. Gestärkt mit dem Wissen, da sei noch Unerforschtes in der Welt, könnten sie nun ihr Leben leben und tun, was immer sie gerade umtreibt. Oder sie googlen ein bisschen, finden die Auflösung des Videos und kaufen sich aus Frust einen Becher Eiscreme:

Die letzten 30 Sekunden in der 8:18 Version des Videos, die inzwischen gelöscht wurde, zeigt, dass der Sog von einer Art Schleuse erzeugt wird. Und das ganze Wasser fließt auf der anderen Seite Weges, die mit niedrigerem Wasserstand, wieder ab, wie auf der professionell erstellten Skizze zu sehen ist. Leider verbietet das Urheberrecht eine andere Darstellungsweise.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.