Verwirrspiel um Kosten der Unterkünfte: 58 Cent pro Flüchtling reichen

FDP-Abgeordnete Dutschke „beweist“ mit absurden Rechnungen: Kleine Flüchtlingsunterkünfte seien nicht teurer als große.

Von den Kosten her unvergleichlich: Zelt für Flüchtlinge. Foto: Angelika Warmut/dpa

HAMBURG taz | „Vollkommen den Überblick verloren“, findet die Hamburger FDP-Abgeordnete Jennyfer Dutschke, habe der Senat bei den „Kosten der Flüchtlingsversorgung“. Doch der genaue Blick auf die Fakten ergibt: Den Überblick beim Thema verloren hat vor allem Dutschke selbst.

Am Montag beglückte die 29-Jährige die Öffentlichkeit mit der These, bei den Flüchtlingserstaufnahmen in der Stadt seien „kleine Unterkünfte nicht teurer als große“. Als Beleg dafür lieferte die Abgeordnete eine Excel-Tabelle mit, in der sie selbst die Kosten pro Platz in unterschiedlichen Erstaufnahmen errechnet hatte. Doch die Rechnung der studierten Wirtschaftswissenschaftlerin steckt voller methodischer Fehler.

So kommt die liberale Rechenkünstlerin zu dem Ergebnis, die Unterbringungskosten in einer Erstunterbringung in Hamurg-Harburg lägen bei 58 Cent pro Tag und Platz – Ernährung offensichtlich inklusive. Dass solche Zahlen unrealistisch sind, war Dutschke zwar nach eigenem Bekunden bewusst, trotzdem nutzte sie sie, um ihre These – klein sei auch preiswert – zu unterfüttern.

„Jeder Grundlage“ würden Dutschkes Ausführungen entbehren, watscht Norbert Smekal, Sprecher der Ausländerbehörde, die liberale Bürgerschaftlerin ab. Statt 58 Cent koste die Unterbringung und Verpflegung eines Flüchtlings pro Tag etwa 65 Euro. Smekal und die Sprecherin des Zentralen Koordinierungsstabs Flüchtlinge, Christiane Kuhrt, bemühen Metaphern aus der Landwirtschaft, um Dutschkes Tölpelei zu charakterisieren: „Äpfel mit Birnen“ habe sie verglichen, klagt Smekal, von „Kraut und Rüben“ spricht Kuhrt.

Für die Erstaufnahmen von Fördern + Wohnen fielen laut Senat 2015 folgende Kosten an: 20,5 Millionen Euro für Catering, 12,5 für Wachdienste, 6,3 für weiteres Personal und 1,7 für Reinigungsdienste.

Fünf Grundstücke am Bargkoppelstieg, Geutensweg, an der Harburger Poststraße, am Havighorster Weg und Hellmesberger Weg erwarb die Stadt, um hier Erstaufnahmen zu bauen. Kosten der Grundstückskäufe: 32,6 Millionen Euro.

Die Grundlage ihrer kuriosen Berechnungen fand Dutschke in der Senatsantwort auf eine von ihr selbst gestellten kleinen Anfrage zu Zahlungen, die die Stadt an verschiedene Betreiber von Erstaufnahmen 2015 geleistet hatte. Doch dahinter verbergen sich recht unterschiedliche Dinge – manche Unterkünfte mussten erst umgebaut und eingerichtet werden, andere laufen schon seit Jahren, wieder andere stellten ihre 2015 angefallenen Kosten der Stadt erst 2016 in Rechnung.

„Mir war klar, dass hinter diese Zahlen ein großes Fragezeichen gehört“, gesteht Dutschke und kritisiert die „fehlende Kostentransparenz bei der Kostenunterbringung“. Hier hat Dutschke recht: Die Äpfel- und Birnenzahlen des Senats sagen nichts aus. Trotzdem brach die Liberale sie auf die Platzzahl der Einrichtung und die Zahl ihrer Betriebstage im Jahr 2015 herunter – und erhielt das absurde Ergebnis, dass in einer Unterkunft ein Platz fast 200-mal so viel kostet wie in einer anderen.

Auch berechnete Dutschke die Kosten pro Platz und nicht pro Flüchtling. Sie verglich so die Kosten überfüllter und fast leerer Erstaufnahmen. Da große und kleine Unterkünfte sich in dem so entstehenden Kostenranking unauffällig mischen, folgert sie, die einen seien nicht teurer als die anderen. „Der Senat muss jetzt das Gegenteil beweisen“, rechtfertigt die Liberale ihre kühne These, die sie durch nichts belegen kann.

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