Verleihung der BigBrotherAwards 2015: Ausgezeichnete Überwachung

Vom Geheimdienst bis zur Kinderpuppe: Digitalcourage e.V. zeichnet erneut die schlimmsten Datenschutzverstöße aus. And the winners are...

Der Mensch als Überwachungsobjekt: Bühnenbild der Oper „1984“. Bild: dpa

BERLIN taz | Die Datensammelwut ist offenbar omnipräsent, betrachtet man die diesjährige Preisträger-Liste der BigBrotherAwards, die am Freitagabend von Digitalcourage e.V. in Bielefeld verliehen werden. Die Schmähpreise kritisieren Datenschutzvergehen in jeglichen Lebensfeldern: auf der Arbeit, im Gesundsheitswesen, im Kinderzimmer.

Erst vor wenigen Wochen sorgte ein neues Produkt aus dem Hause Mattel und Toytalk für einen Aufschrei unter DatenschützerInnen. Eine mit Mikrofon und W-Lan ausgestattete Barbie-Puppe soll Gespräche aufzeichnen und in Rückkoppelung an die Cloud passende Antworten formulieren können.

Bei Bedarf erhielten Eltern ein Protokoll der Sorgen, Träume und Geheimnisse, die Ihr Kind seiner besten Freundin, der Serverfarm von Mattel und Toytalk, anvertraue, heißt es in der Laudatio von Linus Neumann. Der BigBrotherAward in der Kategorie Technik ist die zwingende Konsequenz.

Dem Bundesnachrichtendienst kommt die zweifelhaft Ehre zu Teil, den Award in der Kategorie Politik zu erhalten. Der BND sei aufs Engste in den rechtswidrigen NSA-Überwachungsverbund verflochten, weil er täglich Millionen Telekommunikationsdatensätze sammele und solche massenweise an NSA & Co. übermittele – darunter auch grundrechtlich geschützte Daten von BundesbürgerInnen, so die Begründung der Preisverleiher.

„Menschen, die unter ständiger Überwachung stehen, sind niemals frei. Schon wer sich nur beobachtet fühlt, verändert sein Verhalten, wird unsicher, entwickelt Ängste, passt sich an – Wirkungen, die eine offene, freie demokratische Gesellschaft schädigen“, hieß es in der dazugehörigen Laudatio von Dr. Rolf Gössner.

Amazon is watching you

Gleich mehrfach wurde das Unternehmen Amazon ausgezeichnet. In der Kategorie Wirtschaft bekamen die Plattformen Amazon Mechanical Turk und Elance-oDesk ihr Fett weg. Auf beiden werden online Jobs vermittelt. „Arbeit auf Zuruf, für Hungerlohn, auf eigenes Risiko, ohne jegliche soziale Absicherung“, wie es Laudatorin Rena Tangens nannte. Bei Elance-oDesk überwache zudem eine „Team-App“ Tastenanschläge und Mausbewegungen auf dem Computer des Auftragnehmers und sende regelmäßig Screenshots an den Auftraggeber.

Die Amazon Logistik GmbH in Bad Hersfeld und die Amazon Koblenz GmbH wurden darüber hinaus in der Kategorie Arbeitswelt ausgezeichnet. Begründung: Amazon behalte sich das Recht vor, den Gesundheitszustand seiner Beschäftigten praktisch jederzeit feststellen zu lassen, und zwar von ÄrztInnen, die das Unternehmen benenne.

Weitere Preisträger sind das Bundesministerium für Gesundheit (Kategorie Verbraucherschutz) sowie der Bundesinnenminister Thomas de Maizière und der Ex-Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (Kategorie Politik). Ersteres habe mit seinen eHealth-Projekten die Vertraulichkeit zwischen ÄrztInnen und PatientInnen massiv gefährdet und erschüttert. Letztere erhielten den Award „für die systematische und grundlegende Sabotage der geplanten Europäischen Datenschutzgrundverordnung“.

Zu guter Letzt wurde der Begriff der „Digitalen Spurensicherung“ mit dem Neusprech-Award prämiert. Es handele sich hierbei um „eine von vielen Wortneuschöpfungen, mit denen die anlasslose Sammlung aller Kommunikationsdaten verschleiert werden soll“.

Einen Positivpreis, wie er im letzten Jahr an Edward Snowden verliehen wurde, suchte man bei der diesjährigen Überwachungsgala vergebens. Echte Gewinner scheint es bei der Datensammelwut nicht zu geben.

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