Verfolgung in der Türkei: Menschenrechtler festgenommen

Die türkische Polizei hat erneut Akademiker und Zivilgesellschaftler festgenommen. Alle kommen aus dem Umfeld des inhaftierten Menschenrechtlers Kavala.

Menschenrechtler Osman Kavala spricht in ein Mikro

Osman Kavala und den anderen Verhafteten wird ein Umsturzversuch vorgeworfen Foto: dpa

ISTANBUL dpa | Mehr als zwei Jahre nach dem Putschversuch in der Türkei gehen Behörden dort weiter gegen angebliche Staatsfeinde und Terroristen vor. In einer groß angelegten Aktion in Istanbul und drei weiteren Provinzen gingen Beamte der Abteilung für organisiertes Verbrechen am frühen Morgen zunächst gegen Akademiker*innen und Mitglieder der Zivilgesellschaft vor.

Wie die Nachrichtenagentur DHA berichtete, richtete sich die Operation gegen 20 Personen aus dem Umfeld des Vorsitzenden des Kulturinstituts Anadolu Kültür, Osman Kavala. Nach teilweise widersprüchlichen Informationen wurden mindestens 7 bis 13 von insgesamt 20 Gesuchten festgenommen. Anadolu Kültür arbeitet auch mit dem Goethe-Institut in Istanbul zusammen. Unter den Festgenommenen befinden sich Yigit Ekmekci, Vizechef von Anadolu Kültür, Turgut Tarhanli, Dekan der juristischen Fakultät der Istanbuler Bilgi Universität und Mathematikproffessorin Betül Tanbay.

Kavala, ein renommierter Geschäftsmann und Intellektueller, war schon vor mehr als einem Jahr festgenommen worden. Seitdem sitzt er ohne Anklageschrift in Untersuchungshaft, was international scharf verurteilt wurde. Kavalas Anwälte sagen, ihm werde vorgeworfen, in Verbindung mit Ausländern gestanden zu haben, die eine „Rolle“ beim Putschversuch vom Juli 2016 gespielt haben sollen. Außerdem werde ihm im Zusammenhang mit den regierungskritischen Gezi-Park-Protesten von 2013 versuchter Umsturz der Regierung vorgeworfen.

Die Zeitung Cumhuriyet, die seit ihrem Leitungswechsel im September in Regierungsnähe gerückt ist, berichtete unter Berufung auf die Istanbuler Polizei, dass die 20 Verdächtigen mit Kavala zusammengearbeitet hätten. Gemeinsam hätten sie unter anderem die Gezi-Park-Demonstrationen auszuweiten versucht. Zum Beispiel hätten sie „Ausbilder“ und „Aktivisten“ für die Proteste aus dem Ausland in die Türkei gebracht.

Tausende Festnahmen seit Putschversuch

Gleichzeitig wurden im Rahmen von Operationen gegen angebliche Mitglieder der Bewegung des Predigers Fethullah Gülen in Istanbul weitere 14 Personen wegen „Terrorfinanzierung“ festgenommen. Die türkische Regierung macht Gülen für den Putschversuch von 2016 verantwortlich und hat seither Zehntausende Menschen festnehmen lassen. Die Festnahmen gehen auch nach Ende eines zweijährigen Ausnahmezustands weiter und werden international kritisiert.

Laut DHA gingen im westtürkischen Izmir Sicherheitskräfte unterdessen auch gegen Kleinhändler vor, die der Gülen-Bewegung angehören sollen, und nahmen 17 Menschen fest. Gleichzeitig begann die Staatsanwaltschaft in Ankara im Rahmen einer weiteren Anti-Gülen-Operation, nach insgesamt 188 Menschen aus 26 Provinzen zu fahnden. Unter ihnen seien 100 Mitglieder der Luftwaffe sowie 88 Imame. Einige der Gesuchten seien bereits in Haft.

Laut der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu hatte am Donnerstag Innenminister Süleyman Soylu im Parlament neue Zahlen zu den umfassenden Fahndungsaktivitäten gegen angebliche Gülenisten und Terroristen vorgestellt. Demzufolge seien seit dem Putschversuch rund 218 000 Menschen wegen angeblicher Verbindungen zu den Putschisten festgenommen worden. Davon seien 16 .684 bereits verurteilt und 14 .750 befänden sich weiter in Untersuchungshaft.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.