Verfassungsschutzchef Maaßen: Einsam im Amt

Die NSU-Affäre setzt Geheimdienstchef Maaßen zu, Abgeordnete rügen sein rüdes Auftreten. Nun rückt auch die SPD von ihm ab.

Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen sitzt in einem Saal des Paul-Löbe-Hauses in Berlin

„Er ist untragbar geworden“, sagt die Grünen-Innenexpertin Irene Mihalic über Maaßen Foto: dpa

BERLIN taz | Es wird einsam um Hans-Georg Maaßen. Nach dem nicht abreißenden Wirbel um den verstorbenen V-Mann Thomas „Corelli“ Richter rückt nun auch die SPD von dem Verfassungsschutzchef ab. „Er trägt die Verantwortung für die Versäumnisse“, stellte deren Innenexperte Burkhard Lischka klar. Hätte sich Maaßen „von Anfang an mit dem notwendigen Engagement“ um die Affäre gekümmert, „wären die immer neuen Pannen vermeidbar gewesen“.

Andere in der SPD werden noch deutlicher. Maaßen müsse sich fragen, ob er noch der richtige Mann an der richtigen Stelle sei, sagte Uli Grötsch, Obmann der Partei im NSU-Ausschuss. Auch sein Pendant im NSA-Ausschuss, Christian Flisek, fragte unlängst, ob Maaßen „noch der Richtige an der Spitze des Amtes ist“.

Der Geheimdienstler musste gerade erst einräumen, dass es beim Verfassungsschutz bis heute nicht ausgewertete Handys von „Corelli“ gibt – dabei hatte er stets behauptet, es gebe bei ihm keinen NSU-Bezug. Zuvor waren ein Handy und SIM-Karten in dem Amt aufgetaucht. Einst stand „Corelli“ auch auf einer Kontaktliste des NSU, traf 1995 einmal Uwe Mundlos.

Die Opposition drängt längst auf Maaßens Rücktritt. „Er ist untragbar geworden“, sagte die Grünen-Innenexpertin Irene Mihalic am Donnerstag. „In seinem Amt herrscht das absolute Chaos.“ Die Linke Martina Renner warf dem Verfassungsschutz vor, Beweise zu unterdrücken. „Dafür trägt Maaßen die Verantwortung.“

Maaßen reagiert mit Gegenattacken

Der reagierte auf den Druck zuletzt mit Gegenattacken. Bei „Corelli“ wiederholte er, dieser habe nichts mit dem NSU zu tun. In der NSA-Affäre, zu der Maaßen jüngst im Bundestag aussagte, beschuldigte er den Whistleblower Edward Snowden als russischen Agenten – ohne weitere Belege. Den Untersuchungsausschüssen warf er vor, zu viele Kapazitäten in seinem Amt zu binden.

In der SPD wurde das offen als „zutiefst unparlamentarisches Verhalten“ kritisiert. Dass auch die Regierungspartei von Maaßen abrückt, könnte Taktik sein: Gerade erst setzte sich die Union beim Posten des neuen BND-Chefs durch. Bei der Auswahl eines neuen Verfassungsschutzpräsidenten könnte nun die SPD zum Zug kommen.

Die Union stellte sich am Donnerstag hinter Maaßen. Innenexperte Armin Schuster nannte die Rücktrittsforderungen „Theater“. Deutschland sei großen Sicherheitsherausforderungen ausgesetzt, da könne man nicht die „Kapitäne abschießen“. Aus dem Innenministerium hieß es nur, man warte den Bericht des Sonderermittlers Jerzy Montag ab. Zuvor aber hatte das Ministerium einen eigenen Experten ins Amt geschickt, um dort „Aufsichtsdefizite“ zu prüfen.

Und das Ungemach für Maaßen reißt nicht ab. Im NSU-Ausschuss sagte am Donnerstag ein Zeuge zu einem weiteren Exspitzel des Amtes aus: dem Zwickauer Ralf Marschner. Der Mann behauptete, er habe in dessen Laden wiederholt eine Frau gesehen: Beate Zschäpe.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Mit der taz Bewegung bleibst Du auf dem Laufenden über Demos, Diskussionen und Aktionen gegen rechts.

Hier erfährst du mehr

Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

■ Beim Oktoberfest-Attentat im Jahr 1980 starben 13 Menschen in München.

■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.

■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

■ Gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. wird wegen Rechtsterrorverdachts ermittelt.

■ Ein Attentäter erschoss in München im Jahr 2016 auch aus rassistischen Gründen neun Menschen.

■ Der CDU-Politiker Walter Lübcke wurde 2019 getötet. Der Rechtsextremist Stephan Ernst gilt als dringend tatverdächtig.

■ In die Synagoge in Halle versuchte Stephan B. am 9. Oktober 2019 zu stürmen und ermordete zwei Menschen.

■ In Hanau erschoss ein Mann am 19. Februar 2020 in Shisha-Bars neun Menschen und dann seine Mutter und sich selbst. Er hinterließ rassistische Pamphlete.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.