Verfassungsschutz stuft Partei ein: AfD ist Verdachtsfall

Der Verfassungsschutz stuft die AfD als rechtsextremen Verdachtsfall ein. Damit kann er nun auch Spitzel in der Partei einsetzen.

Alexander Gauland bei einer Pressekonferenz

Bezeichnete die AfD als „gärigen Haufen“: Fraktionsvorsitzender Alexander Gauland Foto: Martin Müller/imago

BERLIN taz | Eigentlich war der Schritt schon zu Jahresbeginn geplant, nun vollzieht ihn der Verfassungsschutz. Das Bundesamt stufte nach taz-Informationen die AfD als rechtsextremen Verdachtsfall ein. Der Geheimdienst sieht „gewichtige Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen“ in der Partei – und kann nun auch nachrichtendienstliche Mittel wie V-Leute oder Telekommunikationsüberwachung gegen die AfD einsetzen.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz äußerte sich zu der Einstufung nicht. „Mit Blick auf das laufende Verfahren und aus Respekt vor dem Gericht äußert sich das Bundesamt in dieser Angelegenheit nicht öffentlich“, sagte eine Sprecherin. Die Einstufung soll aber bereits Ende Februar erfolgt sein. Zuvor hatten ARD und Spiegel darüber berichtet.

AfD-Parteivize Stephan Brandner kritisierte den Verfassungsschutz scharf. „Das Bundesamt hat entgegen klarer Zusagen nun unfair und rechtswidrig etwas durchgestochen“, sagte er der taz. Die Partei hatte zuvor schon dem Geheimdienst vorgeworfen, sich politisch vor den Landtags- und Bundestagswahlen instrumentalisieren zu lassen. Das jetztige Vorgehen unterstreiche dies, so Brandner.

Die AfD hatte zuletzt noch versucht, eine Einstufung als Verdachtsfall juristisch zu verhindern. Bereits im Januar, als Medienberichte über den nahenden Schritt erschienen, klagte die Partei vor dem Verwaltungsgericht Köln dagegen: Weder dürfe das Bundesamt eine Einstufung vornehmen noch diese öffentlich kundtun. Die Partei sah darin eine Verletzung der Parteiengleichheit.

Schon 2019 als Prüffall eingestuft

Das Bundesamt sagte dem Gericht darauf zu, eine öffentliche Verkündung der Einstufung zu unterlassen, solange das Gerichtsverfahren läuft. Auch würden bis dahin keine Mandatsträger direkt überwacht. Dem Verwaltungsgericht genügte dies, eine weitergehende Zwischenregelung lehnte es ab.

Intern aber schuf der Verfassungsschutz nun Tatsachen. Bereits vor zwei Jahren hatte das Bundesamt die AfD als Prüffall eingestuft. Den rechtsextremen „Flügel“ um Björn Höcke und Andreas Kalbitz sowie die AfD-Jugend stufte der Geheimdienst damals bereits als Verdachtsfall ein, eine Stufe höher. Im März 2020 erklärte der Verfassungsschutz den „Flügel“ dann sogar zum vollen Beobachtungsobjekt, als „erwiesen extremistische Bestrebung“. Der löste sich daraufhin offiziell auf. Auch schloss die Partei Anführer Kalbitz aus formellen Gründen aus.

Der Verfassungsschutz hält die Rechtsextremen aber in der Gesamtpartei weiter für prägend. Sichtbar wurde dies zuletzt in Sachsen. Dort hat sich bei der Aufstellung der Landesliste für die Bundestagswahl der „Flügel“ vollumfänglich durchgesetzt. Gleich hinter AfD-Chef Tino Chrupalla landete Jens Maier auf der Landesliste, der sagte, Andreas Kalbitz gehöre für ihn immer noch zur Partei. Und: „Wer in diesen Zeiten nicht als Rechtsextremist diffamiert wird, der macht irgendetwas verkehrt.“ Es folgen Siegbert Droese, der Identitäre und Legida mag, und Karsten Hilse, Sympathisant der Querdenker.

Der Brandenburger Verfassungsschutzchef Jörg Müller hatte der taz bereits vor Monaten gesagt, die Auflösung des „Flügels“ sei eine Scheinauflösung. Alle Protagonisten seien weiter in der Partei und sehr dominant. „Das ist wie Aspirin: Erst lag die Tablette neben dem Glas, jetzt löst sie sich im Glas auf. Und der Wirkstoff wirkt natürlich weiter.“

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