Verfassungsreform in Schleswig-Holstein: Oh Gott, oh Gott!

Die künftige Landesverfassung soll eine Präambel mit Gottesbezug beinhalten. Dagegen wehrt sich jetzt eine Initiative. Bisher gibt es solche Passagen nicht.

Der schleswig-holsteinische Landtag in Kiel. Bild: dpa

KIEL dpa | Führende schleswig-holsteinische Politiker von SPD und Grünen wenden sich in einer Initiative gegen einen Gottesbezug in der künftigen Landesverfassung. „Wir sehen keine Notwendigkeit für einen solchen religiösen Zusatz“, heißt es in der Erklärung „Eine Verfassung für alle“, die im Internet veröffentlicht wurde.

In der aktuellen schleswig-holsteinischen Verfassung finde sich bisher keine solche Formulierung. Bei der geplanten Reform solle die Präambel eine breite Wertebasis auf Grundlage humanistischer Werte, der Menschenrechte, des Friedens und der Gerechtigkeit beinhalten.

Zu den rund 30 Unterzeichnern gehören mehrere Landtagsabgeordnete der Grünen und der SPD. Auch der Lübecker Bürgermeister Bernd Saxe und die Grünen-Landesvorsitzende Ruth Kastner unterstützen die Initiative.

Dagegen befürworten Ministerpräsident Torsten Albig und SPD-Fraktionschef Ralf Stegner einen Gottesbezug. Bei der Landtagssitzung im Juli hatte Albig es als unvorstellbar bezeichnet, auf einen Gottesbezug zu verzichten. Die große Mehrheit der Menschen in diesem Land führe sich auf etwas Höheres zurück. Hierbei sei es unerheblich, ob sie Christen, Muslime oder Juden sind oder anderen Glaubensgemeinschaften angehören. „Ich werbe sehr, sehr dafür, dass wir dieses aufnehmen.“ Es gehe um das Bekenntnis, im Bewusstsein der Verantwortung vor Gott und den Menschen zu handeln.

Kontroverse um Ausgrenzung

Die Kontroverse flammte am Donnerstag neu auf. Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Landtagsfraktion, Heiner Garg, meinte angesichts neuer Äußerungen Albigs, „die Diskussion werde immer abstruser“. „Wenn der Ministerpräsident jetzt öffentlich mitteilt, dass eine Verfassung ohne Gottesbezug für ihn 'nicht vorstellbar' sei, dann drängt sich unweigerlich die Frage auf, auf welcher verfassungsrechtlichen Grundlage er aktuell zu regieren meint. Die derzeit gültige Landesverfassung hat nämlich keinen Gottesbezug.“

Landtagspräsident Klaus Schlie bekräftigte als CDU-Abgeordneter sein Ja für einen Gottesbezug: „In die neue Verfassung gehört unsere Verantwortung vor Gott, alles andere halte ich für undenkbar.“ Für ihn sei dies keine Frage von Mehrheitsglaube oder von Statistiken. „Es ist vielmehr ein Selbstverständnis, dass wir uns in unserem Handeln nicht selbst genügen.“

Der kirchenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Daniel Günther, wies die Behauptung der Gegner eines Gottesbezuges, dieser grenze nichtgläubige Menschen aus, zurück. „Ein Gottesbezug grenzt niemandem aus. Die von uns vorgeschlagene und beispielsweise auch von den islamischen Religionsgemeinschaften unterstützte aus dem Grundgesetz übernommene Formulierung tut dies schon gar nicht.“ Die Präambel des Grundgesetzes beginnt mit den Worten „Im Bewusssein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen...“.

Hälfte, Hälfte

Über den Gottesbezug soll erst mit der Abstimmung über die neue Verfassung im Herbst entschieden werden. Dazu wäre eine Zwei-Drittel-Mehrheit des Parlaments notwendig, die aber als unwahrscheinlich gilt. Bei einer Probeabstimmung in der SPD-Fraktion sei jeweils etwa die Hälfte dafür oder dagegen gewesen, sagte Fraktionspressesprecherin Petra Bräutigam am Donnerstag. Auch bei den Grünen, den Piraten und der FDP gibt es erhebliche Widerstände. Dagegen unterstützt die CDU-Fraktion geschlossen einen Gottesbezug.

Mit der Reform der Verfassung sollen Volksentscheide mit niedrigeren Quoren erleichtert und die Gewährleistung einer digitalen Privatsphäre als Staatsziel festgeschrieben werden. Das Schulwesen der dänischen Minderheit wird ebenso verankert wie die Inklusion. Für die Reform insgesamt wird mit einer großen Mehrheit gerechnet. CDU, SPD, Grüne, FDP und SSW signalisierten ihr Ja; die Piraten wollen erst ihre Mitglieder befragen.

Erstmals bekennt sich der Landtag in einer Präambel zu Grundwerten wie Menschenrechten, Frieden, Gerechtigkeit, Demokratie, Freiheit, Toleranz und Solidarität, aber auch zu nachhaltigem Handeln. Dies wird von allen Fraktionen getragen.

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