Verfahren gegen Christian Wulff: Richter will Prozess einstellen

Die Anzeichen bewusster Vorteilsannahme reichten nicht aus, so der Richter. Die Staatsanwaltschaft lehnt ein Ende des Verfahrens allerdings ab.

Keine Oktoberfeststimmung: Christian Wulff hinter einem Fenster des Landgerichts Hannover. Bild: dpa

BERLIN taz | Der Prozess gegen den früheren Bundespräsidenten Christian Wulff wegen Vorteilsannahme wird womöglich bald eingestellt. Der Vorsitzende Richter Frank Rosenow sagte am Donnerstag im Landgericht Hannover, bei der bisherigen Beweisaufnahme habe keine bewusste Entgegennahme von Vorteilen festgestellt werden können. Bis Januar sollen die Beteiligten nun überlegen, ob sie eine Einstellung akzeptieren. Die Staatsanwaltschaft machte am Donnerstag bereits deutlich, dass sie eine Einstellung ablehnt.

Das Gericht beruft sich auf Paragraf 153 der Strafprozessordnung. Danach kann von der Strafverfolgung wegen Geringfügigkeit des Vergehens abgesehen und ein Verfahren gegen Auflagen eingestellt werden. Für den Prozess waren Verhandlungstage bis in den April terminiert worden.

Die Staatsanwaltschaft wirft Wulff vor, er habe akzeptiert, dass der Filmmanager David Groenewold bei einem Besuch des Oktoberfests 2008 die Hotel- und Essenskosten Wulffs in Höhe von rund 700 Euro übernommen hat. Der damalige niedersächsische Ministerpräsident Wulff soll im Gegenzug für eines der Projekte Groenewolds geworben haben. Der Filmmanager steht im selben Prozess wegen Vorteilsgewährung vor Gericht.

Zeugenaussagen ohne Belastendes

An den ersten acht Verhandlungstagen hatten die rund 20 Zeugen, darunter auch Schauspielerin Maria Furtwängler und Wulffs Ehefrau Bettina, kaum etwas Belastendes vorgetragen. Auch der gestrige Verhandlungstag endete enttäuschend für die Ankläger. Eine Oktoberfestbedienung aus Österreich, die per Video zugeschaltet wurde, konnte sich kaum an den Besuch Wulffs erinnern. „Ich kann nicht mal mehr sagen, wer heuer gezahlt hat, ich habe so viele Gäste“, sagte sie.

Die Staatsanwaltschaft hatte bereits im Vorfeld des gestrigen Prozesstags, für das das Gericht ein Zwischenfazit angekündigt hatte, ihren Willen deutlich gemacht, möglicherweise zum Bundesgerichtshof zu ziehen: „Kampflos“ werde man einen Freispruch nicht hinnehmen, sagte ein nicht namentlich genannter Behördenmitarbeiter der Zeitung Die Welt.

Laut dem Bericht erwartet die Staatsanwaltschaft mögliche Belastungszeugen vor allem im zweiten Teil des Prozesses, in dem es um eine sogenannte Unrechtsvereinbarung zwischen Wulff und Groenewold gehen soll. Durch eine Einstellung des Verfahrens würden deren Vernehmungen ausfallen.

Christian Wulff hatte schon vor dem Prozess die Möglichkeit abgelehnt, den Prozess gegen eine Geldbuße in Höhe von 20.000 Euro einzustellen. Er wollte seine Unschuld beweisen.

Wulff war nach Einleitung des Verfahrens im Februar 2012 zurückgetreten. Zuvor sah sich Wulff einer wochenlangen Medienberichterstattung über mögliche Vorteilsannahmen ausgesetzt. Übrig blieb am Ende allein die Anklage wegen des Oktoberfestbesuchs.

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