Verdrängungswettbewerb durch Uber: Fahrer erschießt sich aus Verzweiflung

Ein New Yorker Taxifahrer nimmt sich das Leben, weil sein Einkommen nicht mehr reicht. In einem Post macht er Politiker und Uber verantwortlich.

Ein gelbes Taxi auf einer Brücke

Ein Taxi fährt über die Brooklyn Bridge in New York City Foto: dpa

NEW YORK taz | Zwei Stunden bevor Douglas Schifter am Montagmorgen seine schwarze Limousine vor das Osttor des Rathaus von New York steuerte, dort parkte und sich erschoss, veröffentlichte er einen letzten Text auf seiner Facebook-Seite. Darin macht er drei Politiker – Republikaner und Demokraten – sowie den Uber-App-Unternehmer – „ein bekannter Lügner, Betrüger und Dieb“ – für den Niedergang des Taxigeschäfts in seiner Stadt verantwortlich.

Statt 40 Stunden die Woche, wie in den Anfangszeiten seiner Karriere, musste der 62-Jährige zuletzt „zwischen 100 und 120 Stunden“ arbeiten. Er verlor dennoch seine Wohnung und seine Krankenversicherung und verschuldete sich. „Ich bin kein Sklave“, schrieb Schifter. Er hofft, dass sein „öffentliches Opfer ein Schlaglicht auf die Not der Fahrer“ wirft.

Schifter war stolz auf seine Erfahrung mit „fünf Millionen Meilen auf der Straße“, mit „fünf Hurrikanen und über 50 Mal Tiefschnee und Schneestürme“ und mit „mehr als 100 internationalen Prominenten im Wagen“. Er war seit 44 Jahren im Geschäft. Seit die Politiker der Stadt und des Bundesstaats dem Drängen von „App-Unternehmen“ wie Uber und Lyft nachgegeben und die Branche dereguliert haben, ist die Zahl der FahrerInnen binnen weniger Jahre von rund 50.000 auf jetzt fast 130.000 explodiert. „Es gibt nicht mehr genug Arbeit für uns alle“, schrieb Schifter in seinem Facebook-Abschied.

Bei New Yorker TaxifahrerInnen machte das dramatische Ende des livrierten Fahrers in Windeseile die Runde. Am Tag danach hielten KollegInnen eine Mahnwache vor dem New Yorker Rathaus ab und verlangten politische Konsequenzen. Eine Fuhrunternehmerin schlug vor, seine Beisetzung am Mittwoch gemeinsam zu finanzieren. Und Bhairavi Desai von der New Yorker Taxi Workers Alliance (NYTWA) sagte: „Er hat die Realität beschrieben.“ Die langjährige Sprecherin der NYTWA hat nie zuvor so viele TaxifahrerInnen in schierer Panik gesehen.

Vorerst Hauptbetroffene der Verelendung sind die Fahrer der traditionellen gelben Taxis und schwarzen Limousinen. Denn für sie gelten Sicherheitsauflagen, Ausbildungs- und Ausstattungsregeln und Strafen, von denen die börsennotierten App-Unternehmen Ausnahmen ausgehandelt haben. „Uber und das andere App-Unternehmen Lyft geben mehr Geld für das Lobbying von Politikern aus als Großkonzerne wie Walmart und Amazon“, beschreibt Desai, „wann immer sie in eine neue Stadt kommen, stellen sie als Erstes ehemalige Spitzenleute von den Aufsichtsgremien der Taxi-Branche ein.“

Zuletzt arbeitete er 100 bis 120 Stunden pro Woche. Das Geld reichte trotzdem nicht

Laut NYTWA sind die Jahreseinkommen von hauptberuflichen FahrerInnen der New Yorker Yellow Cabs von 88.000 Dollar im Jahr 2013 auf nur noch 69.000 Dollar im Jahr 2016 geschrumpft. Doch auch die FahrerInnen der neuen App-Unternehmen leiden. Während Uber – dessen Boss ursprünglich zum Beraterteam von Donald Trump gehörte – Höhenflüge an der Börse macht, verdienen die FahrerInnen nicht genug zum Leben. Viele geben nach wenigen Monaten am Steuer auf.

In New York war Schifters Tod der dritte Selbstmord eines Taxifahrers binnen weniger als drei Monaten. Im Dezember sprang ein Kollege von ihm vom Dach seines Wohnhauses in Harlem, weil er nicht mehr wusste, wie er seine Schulden zahlen sollte. Während nur wenige US-Medien die Krise der Branche würdigen, fühlen sich KollegInnen von Schifter an den Gemüseverkäufer in Tunesien erinnert, der 2010 mit seiner Selbstverbrennung in Sidi Bouzid den Arabischen Frühling mit ausgelöst hat.

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