Urteile in Mordprozess: Fast 100 Jahre Haft

Im Prozess um den Tod einer Pferdewirtin in Lübars verhängen die Richter vier Mal „lebenslang“

Nach fast zweijährigem Prozess im Fall einer getöteten Pferdewirtin neigte sich die Waage von Justitia tief zu Ungunsten der Angeklagten: Vier Mail "lebenslang" verhängte das Landgericht Berlin. Bild: dpa

Steven McA. muss die Nacht vor der Urteilsverkündung schlecht geschlafen haben: Sein Gesicht ist aufgequollen, die Augen wirken klein, gut möglich, dass der 24-Jährige geweint hatte. Stets hatte er abgestritten, sich aktiv an dem Mordkomplott gegen die 21 Jahre alte Christin R. beteiligt zu haben. Fast zwei Jahren dauerte der Prozess vor dem Landgericht gegen ihn und vier weitere Angeklagte. Am Donnerstag verkündete der Vorsitzende Richter Ralph Ehestädt nun die durchweg harten Urteile: An die 100 Jahre Haft kommen zusammen.

Jeweils lebenslange Haft mit besonderer Schwere der Schuld verhängten die Richter über die Drahtzieher, den 26 Jahre Robin H., Exfreund des Opfers, und dessen 57-jährige Mutter Cornelia H. Beide müssen 24 Jahre im Gefängnis verbringen. 14,5 Jahre Haft gab es für Robins Geliebte Tanja L., die das Opfer im Juni 2012 erfolglos zu vergiften suchte und es drei Wochen später an den Schauplatz des Mordes lockte: einen Parkplatz im beschaulichen Stadtteil Lübars, auf dem das Opfer nachts hinterrücks erdrosselt wurde. Lebenslange Haft, jedoch ohne besondere Schuldschwere, müssen Steven McA. und Tanjas Bruder Sven L. verbüßen. Ersterer, weil er nach Ansicht des Gerichts die junge Frau für 500 Euro tötete; Letzterer, weil er die Verbindung zwischen seiner Schwester und dem Auftragskiller hergestellt hatte.

Das Urteil stellt den formalen Schluss in einem Verfahren dar, das für alle Beteiligten besonders war, nicht nur wegen seiner Länge. „Da hat sich eine Gruppe von durchschnittlichen, nicht unbedingt kriminellen Menschen mit dem einzigen Ziel zusammengeschlossen, ein Leben auszulöschen“, sagt der Vorsitzende Richter.

Mutter war treibende Kraft

Dann spricht er über die Finanzexpertin Cornelia H., die 2010 ihrem Sohn, einem Pferdewirt, dabei helfen wollte, einen Hof zu kaufen. Geld hatte sie keines, dafür aber Ahnung von Versicherungen: Sie hatte mal eine betrogen und sie besitzt nach Auffassung des Gerichtspsychiaters eine „Ich-Stärke“: „Man könnte auch sagen, Sie tricksen, sind dreist, berechnend, manipulativ und eigennützig“, so Richter Ehestädt. „Sie waren die treibende Kraft, allein hätte das Ihr Sohn nicht hinbekommen.“ Ungehemmte Geldgier und Gefühlskälte hätten zu dem geplanten Betrug von Lebensversicherungen geführt. Ganz besonders wünscht sich der Vorsitzende, der bei Schwurgerichtsverfahren auch die Interessen der Angehörigen im Blick hat, dass die Mörder eines Tages ihre Beweggründe erklären. „Langfristig hilft das der Familie R.“ Doch solche Einsichten liegen in ferner Zukunft.

Etliche Verteidiger kündigten am Donnerstag an, gegen das Urteil Revision einzulegen. Der Bundesgerichtshof soll prüfen, ob der Prozess neu aufgerollt wird. Ganz unwahrscheinlich ist das nicht, denn in seiner Urteilsbegründung ging Ehestädt auf viele Einwände der Verteidigung nicht ein oder wischte sie mit wenig überzeugenden Argumenten vom Tisch. UTA EISENHARDT

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