Urteil zu Kinderehen in Indien: Kein Schutz für Vergewaltigung mehr

Bislang galt nicht einvernehmlicher Sex in Indien nicht als Vergewaltigung, wenn er in der Ehe stattfand. Nun urteilt das Oberste Gericht: für Kinderehen gilt das nicht.

Ein Mädchen in Brautschmuck

Illegal, aber weit verbreitet: Eine minderjährige Braut bei einer indischen Hochzeit (Archivbild 2012) Foto: dpa

NEU DELHI afp | Sex mit Minderjährigen ist nach Auffassung von Indiens Oberstem Gerichtshof auch bei verheirateten Paaren als Vergewaltigung anzusehen. Mit seinem Urteil vom Mittwoch stellte sich das Gericht gegen die indische Regierung, die die Bestrafung von ehelicher Vergewaltigung als Gefahr für die Institution der Ehe ansieht. Die Organisation Save the Children rief anlässlich des Weltmädchentags zum Kampf gegen Kinderehen auf. Täglich würden 20.000 Mädchen illegal verheiratet.

Das Oberste Gericht in Neu Delhi berief sich bei seiner Entscheidung auf die offizielle Altersgrenze für die sexuelle Mündigkeit sowie für Eheschließungen in Indien, die auf dem Subkontinent in beiden Fällen bei 18 Jahren liegt. Dennoch werden immer noch Millionen Minderjährige zur Heirat gezwungen. Besonders in ärmeren, ländlichen Regionen gilt eine frühe Heirat nach wie vor als finanzielle und moralische Absicherung.

Im indischen Recht waren verheiratete Paare bisher von dem Straftatbestand der Vergewaltigung ausgenommen. Nicht einvernehmlicher Geschlechtsverkehr mit Minderjährigen war somit straffrei, wenn er im Verbund der Ehe stattfand. Zurzeit verhandeln indische Gerichte über die Gesetzeslage zur Vergewaltigung in der Ehe.

Der Anwalt Vikram Srivastava, der den Antrag zur Reform des Gesetzes eingereicht hatte, begrüßte die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, da sie minderjährigen Opfern Schutz biete. „Wenn jemand ein Mädchen unter 18 Jahren heiratet und dieses innerhalb eines Jahres Beschwerde wegen nicht einvernehmlichen Geschlechtsverkehrs einreicht, kann der Ehemann strafrechtlich wegen Vergewaltigung verfolgt werden“, sagte Srivastava dem Nachrichtensender NDTV.

Risiken für verheiratete Mädchen

Die Folgen von Eheschließungen sind für Minderjährige oft verheerend: Viele verheiratete Mädchen brechen die Schule ab und bleiben damit ohne Ausbildung. Auch sind sie erheblichen Gesundheitsrisiken durch frühe Geburten ausgesetzt.

Nach einer Studie der Kinderhilfsorganisation Save the Children und der Weltbank werden jedes Jahr weltweit 7,5 Millionen Mädchen frühverheiratet, obwohl dies nach den jeweiligen nationalen Gesetzen illegal ist. Hinzu kämen 100 Millionen weitere Mädchen, für die kein solcher rechtlicher Schutz greife, erklärte Save the Children. „Viele frühverheiratete Mädchen sind Gewalt und Missbrauch ausgesetzt, zudem werden sie ihrer Bildungs- und Entwicklungschancen beraubt“, sagte Susanna Krüger, Vorstandsvorsitzende von Save the Children Deutschland. „Das muss ein Ende haben.“

Fortschritte gebe es immerhin bei der Gesetzgebung. Aber bestehende Gesetze würden wegen der widerstrebenden Traditionen und religiösen Vorschriften nicht konsequent umgesetzt, kritisierte Save the Children. Hoffnung setzt die Organisation nach eigenen Angaben in eine internationale Konferenz zur Abschaffung von Kinderehen, die vom 23. bis 25. Oktober im Senegal stattfindet. Daran nehmen Regierungsvertreter, religiöse Anführer, Kinderrechtsorganisationen und UN-Organisationen teil.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.